Ablösung des Erschließungsbeitrags und nichtiger Ablösungsvertrag


Vorbemerkungen

Nach § 133 Abs. 3 BauGB können künftige Erschließungsbeiträge durch eine Vereinbarung vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abgelöst werden. Eine Ablösung ist auch bei den landesrechtlichen Anschlussbeiträgen für leitungsgebundene Einrichtungen und für Straßenausbaubeiträge zulässig. Auf solche KAG-Ablösungen und auf die Besonderheiten zur Ablösung des Erschließungsbeitrags in Baden-Württemberg nach § 26 KAG BW wird nachfolgend nicht eingegangen.

Mit der Zahlung des Ablösungsbetrags ist der Erschließungsbeitrag für das im Vertrag bezeichnete Grundstück endgültig erledigt, so dass eine formelle Beitragsveranlagung unterbleibt. Sofern sich die Kostenentwicklung in unvorhergesehener Weise ändert, gibt es grundsätzlich auch keine Nachberechnung des abgelösten Beitrags. Von der Intention her soll ein Ablösungsvertrag die Beitragsfrage abschließend erledigen. Verbunden wird damit auch die Hoffnung auf eine sofortige Rechtssicherheit, weil ein verwaltungsgerichtliches Rechtsbehelfsverfahren entfällt.


Ungeachtet der abschließenden Regelung durch die Ablösungsvereinbarung ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Grundstückseigentümer zu einem späteren Zeitpunkt die Rückforderung des Ablösungsbetrags geltend macht und sich dabei auf die Nichtigkeit des Ablösungsvertrags beruft. Rechtsstreitigkeiten wegen eines Ablösungsvertrags sind aber eher selten, weshalb es hierzu auch nur wenig Rechtsprechung gibt. Wenn der Grundstückseigentümer seine vertraglich übernommene Zahlungspflicht bezweifelt, kann er über eine Leistungsklage die Rückzahlung des Ablösungsbetrags geltend machen.1) Mit dieser Klage wird er dann Erfolg haben, wenn Gründe für die Nichtigkeit eines Ablösungsvertrags vorliegen. Welche Gründe das sein können und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, wird nachfolgend erläutert.


Voraussetzungen für eine Beitragsablösung

Die Ablösungsvereinbarung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag.2) Üblicherweise wird dazu eine separate Ablösungsvereinbarung geschlossen.3) Verkauft eine Gemeinde ein Baugrundstück, kann die Ablösung auch innerhalb des zivilrechtlichen Grundstückskaufvertrags erfolgen, wobei der Vertragsteil bezüglich der Ablösung als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen ist.4)


Eine Ablösung nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB ist nur für ein Grundstück zulässig, für das eine Beitragspflicht entstehen kann.5) Das Grundstück muss demnach durch Erschließungsanlagen i.S. von § 127 Abs. 2 BauGB erschlossen werden. Die sachliche Beitragspflicht nach § 133 Abs. 2 BauGB darf aber noch nicht entstanden sein, weil sonst nur eine Beitragsveranlagung in Frage kommt.


Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB muss die Gemeinde vor Abschluss eines Ablösungsvertrags wirksame Ablösungsbestimmungen erlassen haben.6) Das ist entweder durch einfachen Ratsbeschluss oder in Satzungsform möglich. Ausreichend ist auch eine Bestimmung in der Erschließungsbeitragssatzung, wonach sich der Ablösungsbetrag nach Maßgabe dieser Satzung bemisst.7)


Aus den Ablösungsbestimmungen müssen sich Regelungen zur Kostenermittlung und zur Kostenverteilung auf die erschlossenen Grundstücke ergeben. Sofern sich der Ablösungsbetrag auf eine Erschließungseinheit oder einen Abschnitt einer Erschließungsanlage beziehen soll, muss vor Abschluss der Ablösungsvereinbarung ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss gefasst werden.8)


Rechtsgrundlage eines Rückforderungsanspruchs

Ein wirksamer Ablösungsvertrag begründet die Zahlungspflicht des Grundstückseigentümers. Hingegen hat der Vertragspartner ohne rechtlichen Grund gezahlt, wenn der Ablösungsvertrag nichtig ist und als Rechtsgrund für Leistungs- und Erfüllungsansprüche entfällt. Denn aus einer unwirksamen Vereinbarung können keine Rechtsfolgen hergeleitet werden.9)


Aus einem nichtigen Ablösungsvertrag und bereits gezahlter Leistung entsteht ein öffentlich-rechtliches Rückabwicklungsverhältnis und begründet einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.10) Ein Anspruch auf Rückzahlung richtet sich mangels bundesrechtlicher Vorgabe nach den §§ 54 ff. des Landes-Verwaltungsverfahrensgesetzes11) bzw. aufgrund der Verweisungsvorschrift im KAG nach § 37 Abs. 2 AO.12)


Gründe für einen nichtigen Ablösungsvertrag

- Es handelt sich um keine beitragsfähige Erschließungsanlage

Eine Ablösungsvereinbarung kann nur für beitragsfähige Erschließungsanlagen i.S.v. § 127 Abs. 2 BauGB geschlossen werden. Ablösungsvereinbarungen für Anlagen, die eine Beitragspflicht nicht auslösen, sind daher nicht zulässig und ein entsprechender Vertrag ist von Anfang an nichtig.


- Das Grundstück unterliegt keiner Beitragspflicht

Geschäftsgrundlage eines Ablösungsvertrags kann nur ein nach § 133 Abs. 1 BauGB für eine bestimmte Erschließungsanlage beitragspflichtiges Grundstück sein. Demzufolge ist eine Ablösung für ein Grundstück unzulässig, das nicht von der Anlage i.S. von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen wird.13)


Sofern das Grundstück entgegen der ursprünglichen Prognose vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht dauerhaft die Baulandeigenschaft verliert oder als nicht mehr erschlossen anzusehen ist, entsteht dem Vorausleistenden ein Rückzahlungsanspruch wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.14)


- Ausreichende Ablösungsbestimmungen liegen nicht vor

Ablösungsverträge dürfen nur geschlossen werden, wenn die Gemeinde zuvor ausreichende Ablösungsbestimmungen i.S. des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB erlassen hat. Ablösungsvereinbarungen sind nur in engen Grenzen zulässig, da die öffentlichen Abgaben grundsätzlich nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden dürfen. Diese strikte Bindung an das Gesetz (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) ist im Abgabenrecht von besonderer Bedeutung. Die Gemeinden sind daher gehalten, Erschließungsbeiträge nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen zu erheben. Nur unter den engen Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB können wirksame Ablösungsvereinbarungen getroffen werden. Durch die Ablösungsbestimmungen soll im Interesse der Grundsätze der Abgabengerechtigkeit und Abgabengleichheit eine möglichst gleichmäßige Handhabung aller Ablösungsfälle sichergestellt werden. Fehlen ausreichende Ablösungsbestimmungen, so führt dies zur Nichtigkeit eines abgeschlossenen Ablösungsvertrags von Anfang an.15)


Rückwirkend nachgeschobene Ablösungsbestimmungen können den nichtigen Ablösungsvertrag grundsätzlich nicht heilen, sofern sich aus dem Vertragswillen der Beteiligten nichts anderes ergibt.16)


Während die Erschließungsbeitragssatzung nur die Voraussetzung für eine Beitragserhebung durch Beitragsbescheid ist, stellen die Ablösungsbestimmungen das Gegenstück zur Beitragssatzung dar und regeln die Ablösungsverträge. Es ist ausreichend, wenn das nach Landesrecht zuständige Organ der Gemeinde die Ablösungsbestimmungen in Form von allgemeinen Richtlinien erlässt. Das ist grundsätzlich der Gemeinderat. Der Erlass von Ablösungsbestimmungen ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung i.S.d. Kommunalrechts.17) Zulässig ist aber auch die Satzungsform oder die Aufnahme in die Erschließungsbeitragssatzung.18)


Der Anwendungsbereich von Ablösungsbestimmungen kann auch nur auf bestimmte Gebietsteile beschränkt werden. Die konkrete Ermittlung des Ablösebetrags auf der Grundlage der Ablösungsbestimmungen bedarf keines zusätzlichen Gemeinderatsbeschlusses.19)


Aus den Ablösungsbestimmungen muss sich ergeben, wie der Ablösungsbetrag im Einzelfall zu errechnen ist. Notwendig sind demnach Aussagen darüber, wie der mutmaßliche Erschließungsaufwand ermittelt und wie er verteilt werden soll, weil das BauGB insoweit in § 132 Nr. 2 keine abschließende Regelung getroffen hat.20) Weitere Regelungen, die sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, brauchen in den Ablösungsbestimmungen nicht wiederholt zu werden.21) Den Gemeinden steht es auch frei, die Verteilungsregelung für Ablösungen und die Verteilungsregelung für die Beitragserhebung gleich oder verschieden auszugestalten.22)


- Die Ablösungsbestimmungen wurden nicht beachtet

§ 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB ermächtigt nur zum Abschluss von Ablösungsverträgen, die nach dem Erlass wirksamer Ablösungsbestimmungen in inhaltlicher Übereinstimmung mit diesen abgeschlossen werden. Wird der Ablösungsbetrag abweichend von diesen Bestimmungen vereinbart, ist der Ablösungsvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig.23)


Die Pflicht, Ablösungsverträge nur in Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen zu schließen, dient insbesondere den Interessen aller Ablösungswilligen auf Gleichbehandlung. Das kann nur durch die volle Beachtung der Ablösungsbestimmungen gewährleistet werden. Deshalb muss die Gemeinde bei der Ablösung auch den gesetzlichen Mindestanteil nach § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB in Höhe von 10 % der Kosten übernehmen.24) Eine volle Kostenabwälzung über die Ablösung soll nur eine auf die fehlende Eigenbeteiligung begrenzte Nichtigkeit zur Folge haben, im Übrigen soll die Ablösungsvereinbarung wirksam sein.25)


- Der Ablösungsbetrag wurde nicht offen gelegt

Beim Verkauf eines Baugrundstücks darf die Gemeinde nicht den Fehler machen, im Kaufvertrag einen Gesamtpreis für ein erschlossenes Grundstück zu vereinbaren. Ein Baugrundstück einer Gemeinde ist erschließungsbeitragsrechtlich nicht „erschlossen“, weil keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann, solange es noch in ihrem Eigentum steht. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Konfusion, wonach die Gemeinde nicht zugleich ihr eigener Beitragsgläubiger und Beitragsschuldner sein kann.26)


Wählt die Gemeinde nicht die Beitragsveranlagung nach dem Eigentumsübergang auf den Erwerber, sondern die Ablösungsvariante, muss im Kaufvertrag entweder der Grundstückspreis und der Ablösungsbetrag getrennt ausgewiesen werden oder es muss neben dem Kaufvertrag ein separater Ablösungsvertrag geschlossen werden. Wird nämlich der Ablösungsbetrag in einem Gesamtpreis „versteckt“ und nicht offen ausgewiesen, ist die Ablösungsabrede in dem gemischt privatrechtlich/öffentlich-rechtlichen Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbot einer vertraglichen Kostenabwälzung nichtig.27) Fehlt es an der Offenlegung des Ablösungsbetrags, kann der Grundstückskäufer nicht überprüfen, ob dieser in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen oder etwa willkürlich ermittelt wurde.


Für die gesetzlich geforderte Offenlegung reicht es auch aus, wenn die Gemeinde den Ablösungsbetrag dem Grundstückskäufer vor dem Abschluss des Vertrags mitgeteilt hat.28) Auch nach Ansicht des VGH BW ist es nicht erforderlich, dass bei einem gemischten Grundstückskauf- und Ablösungsvertrag der Ablösungsbetrag in der notariellen Urkunde ausgewiesen wird. Vielmehr reicht es aus, wenn die Gemeinde ihn wenigstens dem Vertragspartner vor Abschluss des Vertrags mitgeteilt hat, so dass dieser ihn in dem Gesamtpreis erkennen konnte und er dadurch Bestandteil der Vereinbarung geworden ist.29)


Ob diese „Mitteilung“ den Formerfordernissen des § 311b BGB entspricht, erscheint zumindest zweifelhaft zu sein.30) Sicherer ist es jedenfalls, die Ablösung entweder in der Kaufvertragsurkunde eingehend abzuhandeln oder den separaten Ablösungsvertrag der notariellen Urkunde beizufügen.31)


- Fehler bei der Ermittlung des Abrechnungsraumes

Gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand grundsätzlich für die einzelne Erschließungsanlage unter Beachtung des maßgeblichen Rechts zu ermitteln. Sofern davon abweichend die Ablösung für eine materiell-rechtlich unzulässige Erschließungseinheit vorgesehen ist, führt das zur Nichtigkeit der Ablösungsvereinbarung, weil sie unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zustande gekommen ist.32)


Wenn sich die Ablösungsvereinbarung auf Anlagen in einer (zulässigen) Erschließungseinheit oder nur auf eine Teillänge bezieht, muss der Rat vor Abschluss der Ablösungsvereinbarung einen Abschnitts- bzw. Zusammenfassungsbeschluss fassen.33) Sofern dieser Ratsbeschluss fehlt, ist die Ablösungsvereinbarung insgesamt nichtig.34) Während Bundesrecht bestimmt, dass und unter welchen Umständen Abschnitte und Erschließungseinheiten gebildet werden können, ergibt sich aus Landesrecht, welches Organ der Gemeinde intern zuständig ist.35) Das ist generell der Rat der Gemeinde, weil es sich um kein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt.36)


Folgen eines nichtigen Ablösungsvertrags

Beitragsveranlagung anstelle des nichtigen Ablösungsvertrags

Nur ein wirksamer, durch Zahlung erfüllter Ablösungsvertrag bewirkt, dass ein andernfalls mit Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht für eine beitragsfähige Erschießungsanlage begründetes abstraktes Schuldverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Grundstückseigentümer gar nicht erst entsteht. Ein nichtiger Ablösungsvertrag bewirkt dies nun gerade nicht, weil er keinerlei Rechtswirkung entfalten kann.37) Demzufolge entsteht wegen der Nichtigkeit des Ablösungsvertrags nach Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück, sodass eine Veranlagung der Erschließungsbeiträge vorzunehmen ist.38)


Die Gemeinde hat somit unter Beachtung der Festsetzungsverjährung eine ganz normale Beitragsveranlagung vorzunehmen. Der bereits „nichtig abgelöste“ Betrag ist auf die endgültige Beitragsschuld anzurechnen. Nachdem ein Ablösungsvertrag von der Gemeinde ausformuliert wird, ist es im Allgemeinen auch so, dass die Gründe, die zur Nichtigkeit des Ablösungsvertrags führen können, in der Verantwortungssphäre der Gemeinde liegen. Trotzdem ist ein (höherer) Erschließungsbeitrag nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht unbillig, weil die von der Beitragsnachforderung Betroffenen insofern keinen Nachteil erlitten haben, als der gesetz- und satzungsmäßige Erschließungsbeitrag nur die dem erschlossenen Grundstück durch die Straßenbaumaßnahme gebotenen und fortbestehenden Vorteile ausgleicht.39) Im Erschließungsbeitragsrecht kommt allgemein dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Beitragserhebung mehr Gewicht zu als den Interessen eines Anliegers, der sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft.40)


Der insoweit anzurechnende Ablösungsbetrag wird nicht zu Gunsten des Grundstückseigentümers verzinst, weil es dazu keine gesetzliche Grundlage gibt.41) Eine analoge Anwendung von § 133 Abs. 3 Satz 4 BauGB scheidet aus.42)


Rückforderungsanspruch des Ablösenden

Der Ablösende kann den Ablösungsbetrag zurückverlangen, wenn der Vertrag nichtig oder seine Geschäftsgrundlage entfallen ist.43) Er hat dann nämlich ohne rechtlichen Grund i.S.d. § 37 Abs. 2 AO gezahlt. Aus nichtigen Ablösungsverträgen beruhende Erstattungsansprüche sind landesrechtlicher Natur.44) Rechtsgrundlage ist das jeweilige KAG i.V.m. § 37 Abs. 2 AO.45)


1. Wenn die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist

Wenn der Beitragsanspruch der Gemeinde mangels endgültiger Herstellung der Erschließungsanlage noch nicht entstanden ist, kann er auch nicht verjähren. Da insoweit eine Beitragserhebung zulässig geblieben ist, hat die Gemeinde der Erstattungsforderung des Grundstückseigentümers aus dem nichtigen Ablösungsvertrag zu entsprechen. Eine Aufrechnung des Erstattungsanspruchs mit noch nicht entstandenen Beitragsforderungen scheidet aus.46) Vielmehr hat die Gemeinde nach Entstehen der sachlichen Beitragspflicht den Erschließungsbeitrag durch Bescheid festzusetzen.47)


2. Wenn eine Beitragsveranlagung nicht mehr möglich ist

Infolge des nichtigen Ablösungsvertrags hat der Grundstückseigentümer dem Grunde nach einen Rückforderungsanspruch. Dieser Anspruch ist jedoch nicht uneingeschränkt gegeben. Ein Erstattungsanspruch auf den gezahlten Ablösebetrag kann wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nur geltend gemacht werden, soweit er den endgültig entstandenen Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Erschließungsanlagen übersteigt und eine Beitragserhebung im Hinblick auf den Ablösungsvertrag unterblieben und etwa wegen Verjährung nicht mehr möglich ist.48) Dies folgt daraus, dass die Rückforderung der aufgrund einer nichtigen Ablösungsvereinbarung erbrachten Zahlung als eine dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 62 Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 242 BGB) widersprechende, unzulässige Rechtsausübung ausgeschlossen ist, soweit die Gemeinde von der Geltendmachung ihres Erschließungsbeitragsanspruchs, der nach Abschluss des Ablösungsvertrages wegen dessen Unwirksamkeit doch noch entstanden ist, im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages abgesehen hat und diese Forderung inzwischen verjährt ist.49) Unbillig ist die den endgültigen Erschließungsbeitrag übersteigende Erstattungsforderung deshalb, weil sich hier die Nichtigkeit des von beiden Vertragspartnern für wirksam gehaltenen Ablösungsvertrages einseitig zu Lasten der Gemeinde auswirkt. Denn deren Beitragsansprüche sind infolge zwischenzeitlicher Verjährung erloschen, während dem Grundstückseigentümer der Vorteil der hergestellten Erschließungsanlage erhalten bleibt.50)


3. Wenn eine Beitragspflicht endgültig nicht entstehen kann

Ein Erstattungsanspruch entsteht in voller Höhe, wenn die rechtliche Grundlage für die Ablösung fehlt oder später entfallen ist. Beispiele: Es handelt sich um keine beitragsfähige Erschließungsanlage oder eine Erschließungsanlage wird im Rechtssinne nicht fertig gestellt.51)


Ein Grundstückskaufvertrag bleibt wirksam

Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrags, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Das kann auf den gemischt privatrechtlich/öffentlich-rechtlichen Grundstückskaufvertrag oder den Grundstückskaufvertrag mit gleichzeitigem Ablösungsvertrag zutreffen. Allerdings wird man kaum zur Auffassung kommen können, dass die eine oder andere Vertragspartei den Grundstückskaufvertrag ohne den Ablösungsvertrag nicht geschlossen hätte. Deshalb wird der zusammen mit der Ablösungsvereinbarung geschlossene Kaufvertrag von der Nichtigkeit eines Ablösungsvertrags i.d.R. nicht erfasst.52) Normalerweise wird die Auflassung bereits erfolgt sein, sodass eine Rückabwicklung der Grundstücksübereignung kaum mehr möglich und von den Vertragsparteien auch nicht gewünscht ist. Schließlich wird hinsichtlich des Erschließungsbeitrags weder der Grundstückseigentümer noch die Gemeinde schlechter gestellt, wenn eine normale Beitragsveranlagung durchgeführt wird.


Keine Rückzahlung bei verjährtem Anspruch

Die rechtsgrundlos gezahlte Ablösungssumme löst auf Seiten des Zahlenden ohne weiteres einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus, der erst durch Verjährung erlischt. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus einem nichtigen Ablösungsvertrag entsteht mit der Zahlung des Ablösungsbetrages und verjährt nach Landesrecht nach Ablauf von 5 Jahren, und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger das Bestehen des Erstattungsanspruchs gekannt hat.53) Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 228 Satz 1 und 2 AO54) beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig wurde (§ 229 Abs. 1 AO). Entstanden ist und fällig wird ein Erstattungsanspruch mit der Zahlung auf die nichtige Ablösungsvereinbarung.55)


Die Verjährungsvorschriften sollen gewährleisten, dass nach bestimmter Zeit Rechtssicherheit eintritt, also nicht mehr mit der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen gerechnet werden muss. Dabei ist das Entstehen des Zahlungsanspruchs sowie Beginn und Lauf der Verjährung unabhängig von den subjektiven Vorstellungen und Kenntnissen des Betroffenen. Die Verjährung tritt durch reinen Zeitablauf und durch Untätigkeit des Gläubigers, egal worauf diese beruht, ein und wird nur durch bestimmte Ereignisse gemäß §§ 230 ff. AO gehemmt oder unterbrochen.56) Nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO wird die Verjährung u.a. durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen.57) Dazu genügt jedes Schreiben, mit dem der Grundstückseigentümer die Gemeinde zur Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs auffordert.58)


Ablösungsbetrag weicht gravierend vom Erschließungsbeitrag ab

Ablösungstypische Risiken lassen den Vertrag unberührt

Bei der Ablösung handelt es sich um eine vorgezogene Beitragspflicht.59) Weil die Ablösung den Beitragsfall endgültig erledigt, entfällt eine Beitragsveranlagung nach der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen.60) Daraus tragen beide Vertragspartner ein gewisses Risiko. Sofern die Erschließung gegenüber der Kostenprognose teurer wird, zahlt die Gemeinde die Mehrkosten alleine. Umgekehrt erhält der Grundstückseigentümer nichts zurück, wenn sich die kalkulierten Baukosten verringern.


Dass sich die Erschließungskosten gegenüber der ursprünglichen Kostenermittlung, die Grundlage des Ablösungsvertrags war, erhöhen oder vermindern können, gehört zu den ablösungstypischen Risiken des Vertrags. Nachdem die Beitragsablösung im Regelfall etliche Jahre vor der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen erfolgt, können erhebliche Unsicherheiten über den weiteren Geschehensablauf bis zur Vorlage der endgültigen Kostenfeststellung bestehen. Auch wenn sich die Vertragspartner dieser Risiken bewusst sind und sich bei der Höhe des Ablösungsbetrags „verschätzen“ können,61) ist die nach Vertragsabschluss sich ändernde Entwicklung der Verhältnisse kein Grund dafür, die Bindungswirkung des Ablösungsvertrags anzuzweifeln. Wegen der veränderten Kostenentwicklung scheidet eine Vertragsanpassung gemäß § 60 VwVfG deshalb grundsätzlich aus.62)


Zu den ablösungstypischen Risiken, mit denen die Vertragspartner durchaus rechnen müssen, gehört die Abweichung der endgültigen von den prognostizierten Kosten infolge zwischenzeitlicher Preissteigerungen. Gleiches gilt für eine Änderung des Bauprogramms nach Abschluss des Ablösungsvertrags mit Auswirkungen auf die Kosten.63) Es steht der Gemeinde nämlich frei, ihre Ausbauplanung bis zur endgültigen Herstellung zu ändern, beispielsweise den Straßenbau nicht konventionell, sondern als verkehrsberuhigte Mischfläche auszuführen64) oder anstelle eines Lärmschutzwalls eine Lärmschutzwand zu bauen.65) Genauso gut kann die Gemeinde das Abrechnungsgebiet vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht verändern, beispielsweise durch Verlängerung einer geplanten Straße.66) Die Vertragspartner können sich deshalb nicht sicher sein, dass die Erschließungsanlage auch tatsächlich nach der im Zeitpunkt des Ablösungsvertrags maßgeblichen Planung endgültig hergestellt wird.


Rechtsprechung war bisher für einen Zahlungsausgleich bei Abweichung von der Missbilligungsgrenze

Wenn es aufgrund der nicht von vornherein auszuschließenden und als ablösungstypische Risiken des Vertrags in Kauf zu nehmenden nachträglichen Entwicklungen zu erheblich Mehr- oder Minderkosten gegenüber der ursprünglichen Kostenprognose kommt, ergab sich bisher nach der Rechtsprechung des BVerwG ein Nacherhebungsrecht der Gemeinde oder ein Rückforderungsanspruch des Grundstückseigentümers, weil sich die Grundlagen des Ablösungsvertrags wesentlich geändert haben.67) Die Ablösungswirkung fand danach ihre Grenze, wenn das Gebot der Abgabengerechtigkeit verletzt wird. Das war bisher der Fall, wenn sich im Rahmen einer späteren Beitragsabrechnung herausstellt, dass der auf das Grundstück entfallende Erschließungsbeitrag das Doppelte oder mehr als das Doppelte bzw. die Hälfte oder weniger als die Hälfte des vereinbarten Ablösungsbetrages ausmacht. Diese absolute Grenze bestand ohne Rücksicht darauf, ob diese Differenz auf ablösungstypische Risiken zurückzuführen ist oder nicht.68) Je länger es vom Abschluss des Ablösungsvertrags bis zum Bau der Erschließungsanlagen dauert, umso größer ist die Diskrepanz der Kosten aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Preissteigerung im Baubereich. Bei der durch das BVerwG erfundenen Missbilligungsgrenze spielte es keine Rolle, dass die Erhöhung des Erschließungsbeitrags um mehr als das Doppelte des vereinbarten Ablösungsbetrags auf diese Preissteigerungen zurückzuführen sind, selbst wenn zwischenzeitlich mehr als 20 Jahre vergangen sind.69) Unterschiedliche Meinungen gab es, welche Auswirkungen das Überschreiten der Missbilligungsgrenze in die eine oder andere Richtung hat. Nach überwiegender Auffassung wurde von der nachträglichen Nichtigkeit des gesamten Ablösungsvertrags ausgegangen.70) Nach anderer Ansicht sollte eine Abweichung von dieser durch das BVerwG gesetzten Missbilligungsgrenze als eine wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage zu behandeln sein.71)


BVerwG ändert Rechtsprechung zur absoluten Missbilligungsgrenze

Änderung der jahrzehntelangen Rechtsprechung

Was sich in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte verschiedentlich schon angedeutet hatte, wurde 2015 durch das BVerwG bestätigt: An der bisher propagierten absoluten Missbilligungsgrenze bei der Vereinbarung des Ablösungsbetrags wird nicht mehr festgehalten. Hintergrund dieser Kehrtwendung in der Rechtsprechung des Gerichts sind fünf Urteile des VG Arnsberg vom 28.11.2013, bei denen es um die Frage ging, ob die Ablösungsvereinbarung noch gilt, wenn zwischen ihrem Abschluss und der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage mehrere Jahrzehnte vergangen sind und die Herstellungskosten gegenüber der damaligen Prognose sich um ein Mehrfaches erhöht haben. Das VG Arnsberg hatte die Erschließungsbeitragsbescheide der beklagten Stadt aufgehoben. Das BVerwG hat die dagegen eingelegte Revisionen der Stadt zurückgewiesen und entschieden, dass eine inflationsbedingte Erhöhung der prognostizierten Baukosten sich nicht auf die Wirksamkeit des Ablösungsvertrags auswirkt. Mit seinen fünf gleichlautenden Urteilen vom 21.1.201572) revidiert der 9. Senat die Rechtsprechung des 8. Senats aus dem Jahr 1990.


Für eine Missbilligungsgrenze gibt es keine Rechtfertigung

Nach der Theorie des BVerwG-Urteils vom 9.11.199073) konnte eine Gemeinde immer dann, wenn die tatsächlichen Erschließungskosten mehr als das Doppelte des mit einem Anlieger vereinbarten Ablösebetrages betrugen, den betreffenden Anlieger zu weiteren Zahlungen heranziehen. Das BVerwG begründete diese so genannte Missbilligungsgrenze damit, dass bei einer so erheblichen Überschreitung der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit nicht gewahrt sei. Der Gemeinde müsse daher ein Nacherhebungsrecht zustehen, ohne dass es auf die Gründe der Überschreitung ankomme. Dass das BVerwG an dieser, auch bisher immer wieder kritisierten Rechtsprechung angesichts des entschiedenen Sachverhalts mit einer jahrzehntelangen Verschleppung der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen jetzt nicht mehr festhält, ist logisch und richtig.


Wenn der Grundstückseigentümer den durch den Ablösungsvertrag vereinbarten Betrag gezahlt hat, ist die Erschließungsbeitragspflicht wirksam erfüllt.74) Nachdem der Erschließungsbeitrag gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB im Ganzen abgelöst werden kann, ist der Ablösungsbetrag anhand des voraussichtlich entstehenden Erschließungsaufwands zu berechnen. Grundlage dafür kann – logischerweise – nur eine Berechnung der zu erwartenden Grunderwerbs-, Freilegungs- und Herstellungskosten für alle Erschließungsanlagen sein. Wenn der Ablösungsbetrag zulässigerweise nach den in der Erschließungsbeitragssatzung geregelten Einheitssätzen zuzüglich der Grunderwerbs- und Freilegungskosten ermittelt wird, ist gleichfalls von einer rechtsfehlerfreien Summe des voraussichtlich entstehenden Erschließungsaufwands auszugehen. Mit dieser Berechnungsmethode hatte sich das BVerwG in seinen Revisionsentscheidungen zu befassen. Abzustellen sind die voraussichtlichen Herstellungskosten auf einen sachgerecht prognostizierten Fertigstellungszeitpunkt. Nach allen Erfahrungen aus der Praxis werden neue Erschließungsanlagen innerhalb eines realistischen Zeitraums von 2 bis 5 Jahren bautechnisch hergestellt. Schließlich ist die gesicherte Erschließung die Voraussetzung für eine Baugenehmigung für ein Gebäude. Dass bei Straßen die obere Feindecke teilweise erst aufgebracht wird, wenn die meisten Grundstücke bebaut sind, ist bezüglich der Kalkulation des Ablösungsbetrags kein Problem, weil sich diese Kosten ohne weiteres sehr genau hochrechnen lassen.


In einem solcherart – von allen Beteiligten als realistisch anzusehenden – Herstellungszeitraum mit einem sachgerecht ermittelten voraussichtlichen Erschließungsaufwand wird eine Missbilligungsgrenze überhaupt kein Thema werden. Offensichtlich scheint die vom BVerwG im Jahr 1990 gefundene absolute Missbilligungsgrenze in der Beitragspraxis auch keine große Bedeutung gewonnen zu haben, sind doch in den letzten 25 Jahren nur sehr wenige Gerichtsentscheidungen hierzu ergangen. In seinem Urteil vom 9.11.1990 hatte sich das BVerwG im Übrigen nicht mit einem zu geringen, sondern mit einem zu hohen Ablösungsbetrag zu befassen. Seinerzeit war ein zu geringer Ablösungsbetrag überhaupt nicht entscheidungsrelevant, trotzdem hat sich das BVerwG auch dazu geäußert. In der Folgezeit kam es in keinem Fall zu einer Entscheidung des BVerwG zu einem zu missbilligenden zu geringen Ablösungsbetrag, bei dem die Erschließung zeitlich „normal“ verlaufen ist. Wenn es wegen der neuen Rechtsprechung des BVerwG jetzt bei älteren Ablösungsverträgen und der erst viele Jahre später erfolgenden erstmaligen Herstellung einer Straße in Einzelfällen zu erheblichen kommunalen Refinanzierungsproblemen kommen sollte, muss man wohl zu Recht darauf hinweisen, dass die Gemeinde diese Probleme selbst zu verantworten hat. Warum hat sie sich mit dem Straßenbau überhaupt so lange Zeit gelassen? Wer über Jahrzehnte eine Straße nicht endgültig herstellt, hat im wahrsten Sinne des Wortes Geld vergraben und sich nicht rechtzeitig refinanziert. Ein derartiges Versäumnis, man kann es fast als Versagen der Verwaltung bezeichnen, kann und darf den Grundstückseigentümer, der seinen Baukostenanteil längst abgelöst hat, nicht belasten.


Es ist davon auszugehen, dass eine Gemeinde den mutmaßlich entstehenden Erschließungsaufwand sachgerecht und damit beanstandungsfrei ermitteln wird und angemessen vorteilsgerecht den in Betracht kommenden Grundstücken zuordnet. Deshalb besteht auch keine Gefahr, und ein derartiger Gedanke wäre geradezu abwegig, eine Gemeinde würde vorsätzlich einen zu geringen Ablösungsbetrag kalkulieren. Eher wird wohl noch eine Sicherheitsmarge berücksichtigt werden. Vorausgesetzt, dass sich die Verhältnisse während der laufenden Erschließung nicht ändern und das Abrechnungsgebiet und der Ausbaustandard beibehalten werden, reicht das Geld dann allemal.


Kritiker der neuen Rechtsprechung

Allerdings kritisiert eine gewichtige Stimme in der Fachliteratur die Richtungsänderung des BVerwG vehement und hält an der Missbilligungsgrenze fest. Angeregt wird eine satzungsrechtliche Missbilligungsgrenze, die an die Stelle der aufgehobenen gerichtlichen Missbilligungsgrenze treten soll.75) Dass sich hieraus eine Rechtsgrundlage für eine Nachforderung im Falle eines zu geringen Ablösungsbetrags ergibt, ist eher zu bezweifeln. Ob eine derartige Satzungsregelung, wenn sie von Gemeinden erlassen werden sollte, vor Gericht Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Allerdings muss die sachliche Rechtfertigung einer derartigen Regelung hinterfragt werden, die keine neuen Erkenntnisse bringt. Es ist mit der Abgabengerechtigkeit kaum vereinbar, wenn eine Gemeinde einen Ablösungsbetrag Jahrzehnte lang anderweitig verwendet und nicht zur Finanzierung der Erschließungsanlagen einsetzt und sie ihn irgendwann nur mit dem seinerzeitigen Nominalwert auf einen fiktiven Erschließungsbeitrag anrechnen will. Wer an der Missbilligungsgrenze festhalten will, muss auch berücksichtigen, dass sich nicht nur die Baukosten erhöht haben, sondern auch der seinerzeitige Ablösungsbetrag wertmäßig anzupassen ist. Das Ersetzen des Leitsatzes des Urteils vom 9.11.1990 durch eine ähnlich formulierte Satzungsvorschrift führt hier nicht in die richtige Richtung.


Ablösungsverträge bleiben rechtswirksam

Die 2015 entschiedenen Fälle eines rein preissteigerungsbedingten Überschreitens der vom BVerwG 1990 erfundenen Missbilligungsgrenze zeigen, dass ein Festhalten daran zu unangemessenen Ergebnissen zu Lasten des ablösenden Grundstückseigentümers führen kann. Auch soweit aus anderen, nicht preissteigerungsbedingten Gründen in Einzelfällen ein nicht mehr tolerierbares Missverhältnis zwischen der Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten und dem ihm vermittelten Vorteil bestehen sollte, bedarf es nach neuen Erkenntnissen des BVerwG keiner absoluten Grenze. Hier ist der Weg aufgezeigt, dass den bundesrechtlichen Vorgaben vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen Rechnung zu tragen ist. Inwieweit hier eine Nachforderung überhaupt möglich wird, ist nicht erkennbar. Sofern überhaupt, wäre eine Nacherhebung durch einen Beitragsbescheid nicht mehr zulässig.


In denjenigen Fällen, in denen eine inflationsbedingte Steigerung des Erschließungsaufwands eingetreten ist, kann die Gemeinde keinen Anpassungsanspruch geltend machen. Mithin haben preissteigerungsbedingte Mehrkosten keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit bereits abgeschlossener Ablösungsverträge. Die Missbilligungsgrenze nach bisheriger Leseart hat sich damit erledigt.



  1. VGH BW v. 16.6.1987 – 2 S 2659/85, Fundstelle BW 1987 Rdnr. 625 und v. 25.3.2002 – 2 S 1696/00, BWGZ 2002, 274 = ESVGH 52, 190; BayVGH v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57.

  2. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 2009, § 133 Rdnr. 50; Brügelmann, BauGB, 2009, § 133 Rdnr. 76; Ludyga/Steiner/Hesse, Erschließungsbeitrag, April 2008, § 133 Rdnr. 72.

  3. Vgl. die Muster bei Reif/Gössl, Die Ablösung von Beiträgen, BWGZ 1988, 796 und bei Richarz/Steinmetz, Erschließung in der kommunalen Praxis, 2. Auflage, S. 307.

  4. BVerwG v. 1.12.1989 – 8 C 44/88, DÖV 1990, 285 = NJW 1990, 1679 = DVBl 1990, 438; Reif/Gössl, a.a.O.; Ruff, Erschließungsbeiträge von A-Z, 3. Auflage 2007, S. 176; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 3.

  5. Löhr, § 133 Rdnr. 51.

  6. BVerwG v. 1.12.1989 – 8 C 44/88, DÖV 1990, 285 = NJW 1990, 1679 = DVBl 1990, 438; Driehaus, § 22 Rdnr. 1.

  7. BVerwG v. 27.1.1982 – 8 C 24.81, KStZ 1982, 129 = DÖV 1982, 641 = DVBl 1982, 550.

  8. Nds. OVG v. 26.5.1993 – 9 L 163/90, NST-N 1994, 101; BVerwG v. 29.10.1993 – 8 B 186/93, juris.

  9. BVerwG v. 21.1.2010 – 9 B 66.08, DVBl 2010, 575; OVG NRW v. 23.1.2009 – 7 A 4361/05, BRS 74 Nr. 239 = JuS 2009, 955.

  10. VG München v. 11.11.2003 – M 2 K 03.2938, juris.

  11. VGH BW v. 25.3.2002 – 2 S 1696/00, BWGZ 2002, 274 = ESVGH 52, 190.

  12. Nds. OVG v. 13.11.1990 – 9 OVG A 220/86, dng 1991, 102 = KStZ 1991, 153 und v. 26.5.1993 – 9 L 163/90, NST-N 1994, 101.

  13. VG München v. 11.11.2003 – M 2 K 03.2938, juris; BayVGH v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57.

  14. Becker, Erschließungsbeitragsrecht in der kommunalen Praxis, 2004, Rdnr. 381.

  15. BVerwG v. 27.1.1982 – 8 C 24.81, KStZ 1982, 129 = DÖV 1982, 641 = DVBl 1982, 550 und v. 25.11.1988 – 8 C 58.87, NVwZ-RR 1990, 433 = KStZ 1989, 92 = HGZ 1989, 98; OVG NRW v. 7.5.2002 – 3 A 2910/99, KStZ 2003, 99; VGH BW v. 26.4.2007 – 2 S 2218/06, NVwZ-RR 2007, 809 = VBlBW 2008, 64.

  16. BVerwG v. 27.1.1982 – 8 C 99.81, KStZ 1982, 133 = NJW 1982, 2392 = ZMR 1982, 381; Ernst, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Oktober 2008, § 133 Rdnr. 75; Löhr, § 133 Rdnr. 53.

  17. Ernst, § 133 Rdnr. 75; Löhr, § 133 Rdnr. 52.

  18. BayVGH v. 11.3.1998 – 6 CS 96.3405, GK BY 1998 Rdnr. 229.

  19. Becker, Rdnr. 368.

  20. OVG NRW v. 26.10.2006 – 3 A 1895/03, juris.

  21. BVerwG v. 27.1.1982 – 8 C 24.81, KStZ 1982, 129 = DÖV 1982, 641 = DVBl 1982, 550.

  22. OVG NRW v. 19.2.1981 – 3 A 154/79, DVBl 1981, 834.

  23. BVerwG v. 1.12.1989 – 8 C 44.88, DÖV 1990, 285 = DVBl 1990, 438 = KStZ 1990, 89; VGH BW v. 25.3.2002 – 2 S 1696/00, BWGZ 2002, 274 = ESVGH 52, 190, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BVerwG v. 17.9.2002 – 9 B 43.02, Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 133; OVG NRW v. 7.5.2002 – 3 A 2910/99, KStZ 2003, 99; VGH BW v. 26.4.2007 – 2 S 2218/06, NVwZ-RR 2007, 809 = VBlBW 2008, 64; ThürOVG v. 7.12.1999 – 4 ZEO 931/97, DWW 2001, 29; BayVGH v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BVerwG v. 21.1.2010 – 9 B 66.08, DVBl 2010, 575.

  24. BVerwG v. 27.1.1982 – 8 C 24.81, KStZ 1982, 129 = DÖV 1982, 641 = DVBl 1982, 550.

  25. Nds. OVG v. 14.6.1991 – 9 M 4515/91.

  26. BVerwG v. 21.10.1983 – 8 C 29.82, KStZ 1984, 34 = DVBl 1984, 188 = NVwZ 1985, 912.

  27. Vogel, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, April 2009, § 133 Rdnr. 77.

  28. BVerwG v. 1.12.1989 – 8 C 44.88, NJW 1990, 1679 = DÖV 1990, 285 = DVBl 1990, 438; Ernst, § 133 Rdnr. 75.

  29. VGH BW v. 26.6.2003 – 2 S 2567/01, KStZ 2004, 16 = DÖV 2004, 716 = VBlBW 2004, 224 und v. 17.4.2007 – 2 S 2101/06, VBlBW 2008, 101; so auch BayVGH v. 2.6.1999 – 3 A 3611/96, juris.

  30. Gutachten DNotI-Report 2001, 53; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch 2005, Teil 6 Rdnr. 140.

  31. GPA BW, Mitteilung 11/1997 v. 1.12.1997; Becker, Rdnr. 374.

  32. VGH BW v. 25.3.2002 – 2 S 1696/00, BWGZ 2002, 274 = ESVGH 52, 190; BVerwG v. 17.9.2002 – 9 B 43.02, Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 133; OVG NRW v. 7.5.2002 – 3 A 2910/99, KStZ 2003, 99.

  33. BVerwG v. 17.9.2002 – 9 B 43.02, Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 133; OVG NRW v. 7.5.2002 – 3 A 2910/99, ZKF 2003, 15 = HGZ 2002, 405 = KStZ 2003, 99; VGH BW v. 25.3.2002 – 2 S 1696/00, BWGZ 2002, 274 = ESVGH 52, 190.

  34. BVerwG v. 29.10.1993 – 8 B 186.93, juris; OVG Saarland v. 12.2.1998 – 1 Q 67/97, KStZ 1998, 138; VGH BW, Urteil v. 14.4.2011 – 2 S 2898/10, BauR 2011, 1376.

  35. BVerwG v. 12.6.1970 – IV C 5.68, DVBl 1970, 904.

  36. Nds. OVG v. 29.6.1984 – 9 OVG B 134/82 und v. 26.5.1993 – 9 L 163/90, NST-N 1994, 101; OVG Saarland v. 12.2.1998 – 1 Q 67/97, KStZ 1998, 138.

  37. VGH BW v. 26.6.2003 – 2 S 2567/01, ESVGH 53, 256 = KStZ 2004, 16 = VBlBW 2004, 224.

  38. Richarz/Steinmetz, Erschließung in der kommunalen Praxis, 2000, S. 95.

  39. OVG NRW v. 26.10.2006 – 3 A 1895/03, juris.

  40. VGH BW v. 26.4.2007 – 2 S 2218/06, NVwZ-RR 2007, 809 = VBlBW 2008, 64.

  41. VG Düsseldorf v. 6.2.2003 – 12 K 7745/99, juris; VGH BW v. 26.4.2007 – 2 S 2218/06, NVwZ-RR 2007, 809 = VBlBW 2008, 64.

  42. OVG NRW v. 25.8.1999 – 3 A 300/96, ZMR 2000, 130 = NVwZ-RR 2000, 341 = KStZ 2000, 133.

  43. OVG NRW v. 6.12.1990 – 3 A 855/89, NWVBl 1991, 194 = NVwZ 1991, 1106 = KStZ 1991, 158.

  44. BVerwG v. 16.5.2000 – 4 C 4.99, NVwZ 2000, 1285 = DÖV 2000, 1050 = DVBl 2000, 1853 und v. 17.12.2004 – 9 B 47.04, juris.

  45. BayVGH v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57; OVG Greifswald v. 1.10.2003 – OVG 1 M 130/03, NVwZ-RR 2004, 370.

  46. BayVGH v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57.

  47. VG Münster v. 29.4.2009 – 3 K 2214/07, juris.

  48. VGH BW v. 25.3.2002 – 2 S 1696/00, BWGZ 2002, 274 = ESVGH 52, 190.

  49. Driehaus, § 22 Rdnr. 19; Ludyga/Steiner/Hesse, § 133, S. 58; Vogel, § 133 Rdnr. 80.

  50. Nds. OVG v. 26.5.1993 – 9 L 163/90, NST-N 1994, 101; BayVGH v. 23.7.2004 – 6 B 00.1402, BauR 2004, 1989 und v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57.

  51. Ernst, § 133 Rdnr. 77.

  52. BayVGH v. 23.7.2004 – 6 B 00.1402, BauR 2004, 1989.

  53. Nds. OVG v. 10.10.1995 – 9 L 6025/93, KStZ 1997, 78 = NdsVBl 1996, 69; BayVGH v. 3.6.1997 – 6 B 94.2783, GK BY 1997 Rdnr. 246.

  54. Zum Verweis auf die Vorschriften der AO siehe das landesrechtliche KAG sowie BVerwG v. 17.12.2004 – 9 B 47.04, juris.

  55. BayVGH v. 29.9.2008 – 6 BV 05.3193, GK BW 2009 Rdnr. 57 und v. 23.7.2004 – 6 B 00.1402, BauR 2004, 1989; Nds. OVG v. 13.11.1990 – 9 OVG A 220/86, dng 1991, 102 = KStZ 1991, 153.

  56. Nds. OVG v. 10.10.1995 – 9 L 6025/93, KStZ 1997, 78 = NdsVBl 1996, 69.

  57. Nds. OVG v. 13.11.1990, dng 1991 = KStZ 1991, 153.

  58. VG Münster v. 29.4.2009 – 3 K 2214/07, juris.

  59. BVerwG v. 27.1.1982 – 8 C 24.81, KStZ 1982, 129 = DÖV 1982, 641 = DVBl 1982, 550.

  60. BVerwG v. 9.11.1990 – 8 C 36.89, DVBl 1991, 447 = KStZ 1991, 92 = NVwZ 1991, 1096.

  61. Quaas, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 2006, § 133 Rdnr. 43.

  62. BVerwG v. 12.7.1971 – IV B 58.71 und v. 9.11.1990 – 8 C 36.89, DVBl 1991, 447 = KStZ 1991, 92 = NVwZ 1991, 1096.

  63. BVerwG v. 13.12.1985 – 8 C 66.84, DVBl 1986, 349 = KStZ 1986, 91 = NVwZ 1986, 925.

  64. OVG NRW v. 6.12.1990 – 3 A 855/89, NWVBl 1991, 194 = NVwZ 1991, 1106 = KStZ 1991, 158.

  65. VG Wiesbaden v. 23.9.2003 – 6 E 1531/01, juris.

  66. BVerwG v. 22.2.1985 – 8 C 114.83, ZKF 1985, 276 = DVBl 1985, 626 = ZMR 1985, 279.

  67. BVerwG v. 9.11.1990 – 8 C 36.89, KStZ 1991, 92 = DÖV 1991, 462 = DVBl 1991, 447.

  68. BVerwG v. 9.11.1990 – 8 C 36.89, KStZ 1991, 92 = DÖV 1991, 462 = DVBl 1991, 447.

  69. VG Ansbach v. 13.2.2001 – AN 1 K 00.01118, juris.

  70. OVG NRW v. 5.3.1998 – 3 B 961/96, dng 1998, 158; VG Ansbach v. 13.2.2001 – AN 1 K 00.01118, juris; VG München v. 11.11.2003 – M 2 K 03.2938, juris; VG Oldenburg v. 22.1.2007 – 1 B 5178/06, www.dbovg.niedersachsen.de; Driehaus, § 22 Rdnr. 7; Göppl, Leitfaden zum Erschließungsbeitragsrecht in Baden-Württemberg, 2007, S.122; so wohl auch Weber, Vertragliche Vereinbarungen im kommunalen Beitragsrecht?, KStZ 2000, 3.

  71. Reif, Erschließungsbeitrag nach dem BauGB, Abschnitt 6.1.3.5; Lorenz, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage beim verwaltungsrechtlichen Vertrag, DVBl 1997, 865; so wohl auch Becker, Rdnr. 376.

  72. BVerwG v. 21.1.2015, 9 C 1.14 bis 9 C 5.14, DÖV 2015, 578.

  73. BVerwG v. 9.11.1990, 8 C 36.89, KStZ 1991, 92 = DÖV 1991, 462 = DVBl 1991, 447.

  74. OVG NRW v. 13.11.1997, 3 B 693/95, juris; HessVGH v. 5.2.2013, 5 B 15/13, NVwZ-RR 2013, 733.

  75. Driehaus, Beitragssatzungen als Mittel zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität?, KStZ 2015, 61. Driehaus war seinerzeit Mitglied des 8. Senats des BVerwG, der die Missbilligungsgrenze im Urteil vom 9.11.1990 „erfunden“ hat.



© IKV Erwin Ruff September 2016


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