Leistungsstörungen beim Erschließungsvertrag
1. Wenn der Erschließungsvertrag nicht klappt
Unter Leistungsstörungen beim Erschließungsvertrag versteht man die Umstände, die eine ordnungsgemäße Leistung verhindern oder mit einer solchen nicht übereinstimmen. Die klassischen Fälle sind die Unmöglichkeit der Leistung und die nicht rechtzeitige Leistung. Darüber hinaus sind im Zivilrecht die Schlechterfüllung der Hauptverpflichtung, aber auch die Verletzung von Nebenpflichten aus dem Vertrag unter dem Stichwort "positive Vertragsverletzung" als Unterfälle der Leistungsstörung entwickelt worden. Sie werden im Zivilrecht analog den Regeln über die Unmöglichkeit und den Verzug behandelt. Diese Formen der Störung eines zivilrechtlichen Vertrags und seiner ordnungsgemäßen Abwicklung können auch beim öffentlich-rechtlichen Erschließungsvertrag auftreten.
2. Der Erschließungsträger beginnt nicht mit der Erschließung
Wie soll sich die Gemeinde verhalten, wenn ein Erschließungsträger nicht vertragsgemäß mit der Erschließung beginnt? Zunächst ist festzustellen, worin die Ursache liegt. Denkbar ist z. B., dass sich das Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten befindet. Ein solventer Erschließungsträger wird üblicherweise die Erschließung so rasch als möglich beginnen und fertig stellen, weil er dadurch schneller Baugelände verkaufen oder selbst bebauen kann. Beginnt das Unternehmen nicht und zeigt es auch keine Anstalten, die Erschließungsarbeiten unverzüglich in Angriff zu nehmen, sollte die Gemeinde konsequent daran interessiert sein, sich von diesem zu trennen und den Vertrag evtl. kündigen.
Wenn im Vertrag keine besonderen Bestimmungen zum Verzug und Rücktritt vereinbart sind, gelten aufgrund von § 62 Satz 2 VwVfG die Vorschriften des BGB entsprechend. Die Gemeinde kann dem Erschließungsträger nach § 326 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen. Mit dieser Fristsetzung sollte die Erklärung verbunden sein, dass die Erfüllung des Erschließungsvertrags nach Ablauf der gesetzten Frist abgelehnt wird. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Gemeinde vom Vertrag zurücktreten. Außerdem kann sie Schadenersatz in Geld wegen Nichterfüllung verlangen. Allgemein üblich ist auch die Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft für den Fall, dass der Erschließungsträger seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt (vgl. dazu das Muster in der Arbeitshilfe Nr. 7 der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände). Eine solche Vertragserfüllungsbürgschaft ist rechtlich zulässig (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 12.7.1988 - 3 A 1207/85, KStZ 1989, 94).
3. Der Erschließungsträger tritt einseitig vor Erfüllung vom Vertrag zurück
Enthält der Erschließungsvertrag für den Fall des Rücktritts eines Vertragspartners keine Bestimmung, ist nach § 62 VwVfG auf das BGB zurückzugreifen. Der Erschließungsträger übernimmt durch den Erschließungsvertrag die Verpflichtung, bestimmte Erschließungsanlagen herzustellen und diese der Gemeinde zu übergeben. Durch seinen einseitig erklärten Rücktritt kommt er der übernommenen Verpflichtung nicht nach. Daraus erhebt sich die Frage, ob die Gemeinde auf die zugesagte Leistung beharren soll oder was sie anstelle der nicht erbrachten Leistung fordern kann.
Durch den Rücktritt kommt es zu einer Beendigung der Leistungspflichten. Der Erschließungsträger will den Vertrag nicht erfüllen. Auszugehen ist demnach von einem vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichwerden i. S. von § 325 BGB. In diesem Fall hat die Gemeinde das Recht, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten. Der Rücktritt vom Vertrag bringt nichts, da der Erschließungsträger seinerseits bereits den Rücktritt erklärt hat. Also bleibt der Gemeinde die Schadenersatzforderung. Diese wird sich abweichend von § 249 BGB nur als Geldforderung ergeben. Der konkrete Schaden ist der Unterschied zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn die andere Partei richtig erfüllt hätte und der Lage, die durch die Nichterfüllung eingetreten ist.
4. Die Erschließungsarbeiten werden vor Vollendung eingestellt
Wie ist die Folge, wenn der Erschließungsträger die Erschließung zwar beginnt, aber nicht vollendet? Aus der abgebrochenen Erschließungstätigkeit ergeben sich Rechtsfolgen gegenüber dem Erschließungsträger, evtl. auch gegenüber Grundstückseigentümern. Durch den Abbruch der Erschließungsarbeiten kommt der Erschließungsträger einseitig in Verzug, weil er seine vertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt. Die Folgen des Verzugs regeln sich wieder nach den Bestimmungen des BGB. Die Gemeinde kann dem Unternehmer eine Frist für die Vollendung der Erschließungsarbeiten setzen. Ist diese Frist fruchtlos verstrichen, kann die Gemeinde vom Vertrag zurücktreten. Außerdem kann sie Schadenersatz verlangen. Damit werden die unvollendeten Erschließungsanlagen jedoch nicht fertiggestellt. Will die Gemeinde nicht vom Vertrag zurücktreten, sondern den Erschließungsträger zwingen, den Vertrag zu erfüllen, muss sie Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Der Erschließungsvertrag ist keine Grundlage dafür, dass die Gemeinde durch Verwaltungsakt gegen den Erschließungsträger vorgehen und ihm die Erledigung der ausstehenden Arbeiten anordnen kann (BVerwG, Urteil v. 13.2.1976 - IV C 44.74, NJW 1976, 1516 = DÖV 1976, 353). Von Vorteil ist es, wenn im Erschließungsvertrag geregelt ist, dass die Gemeinde bei Untätigkeit oder bei Säumnis des Erschließungsträgers die Erschließungsanlagen selbst oder durch beauftragte Firmen herstellen lassen kann (Ersatzvornahme nach § 633 ff. BGB). In einem solchen Fall muss der Erschließungsträger die Abschlussarbeiten dulden (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.6.1992 - 3 A 1079/91, ZMR 1993, 38).
Im Fall des Rücktritts vom Vertrag übernimmt die Gemeinde unfertige Erschließungsanlagen. Aus ihrer gesetzlichen Erschließungslast ist sie dann gehalten, die Arbeiten zu vollenden. Die dadurch entstehenden Kosten sind nun primär durch den Erschließungsträger zu decken, es sei denn, dass dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Wenn eine Vertragserfüllungsbürgschaft als Sicherheit vorliegt, kann aus dieser der der Gemeinde entstehende Aufwand gedeckt werden. Kann der Erschließungsträger nicht herangezogen werden und tritt auch kein anderer ein, so stellen die Kosten für den restlichen Ausbau beitragsfähige Aufwendungen i. S. von §§ 127 ff. BauGB dar. Diese Kosten muss die Gemeinde auf alle erschlossenen Grundstücke umlegen, d. h., sie muss die Kosten für den Restausbau durch eine übliche Beitragsveranlagung abdecken.
Problemlos wird die Abrechnung, wenn der Erschließungsträger einzelne Teileinrichtungen insgesamt fertiggestellt hat und die Gemeinde weitere Teileinrichtungen herstellen muss. Die Gemeinde wird dann für die Teileinrichtungen, die sie auf ihre Kosten hergestellt hat, eine Beitragsveranlagung nach den Grundsätzen der Kostenspaltung durchzuführen haben (§ 127 Abs. 3 BauGB). Die durch den Erschließungsträger hergestellten Teileinrichtungen bleiben dabei außer Betracht. Für diese sind der Gemeinde keine Aufwendungen entstanden, folglich kann sie auch keine Beiträge fordern. Fragen werfen dagegen solche Fälle auf, in denen gesondert abspaltbare Teileinrichtungen teils durch den Erschließungsträger und teils durch die Gemeinde hergestellt wurden.
Grundsätzlich sind unselbständige Teile einer Teileinrichtung, etwa die Verschleißdecke der Fahrbahn, nicht gesondert abrechenbar (BVerwG, Urteil v. 11.2.1977 - IV C 102.74, KStZ 1977, 130 = DÖV 1977, 678). Es ergibt sich also das Problem, dass einerseits durch Kostenspaltung nur die gesamte Teileinrichtung abgerechnet werden darf, andererseits die Gemeinde jedoch nur einen Aufwand für den Teil einer Teileinrichtung in Ansatz bringen kann. Denn der durch den Erschließungsträger hergestellte Teil der Teileinrichtung ist durch diesen bezahlt.
Folgt man den Grundsätzen für die Kostenspaltung, würde dies in konsequenter Anwendung bedeuten, dass die Gemeinde die Fertigstellung der durch den Erschließungsträger teilweise hergestellten Teileinrichtung nicht abrechnen könnte. Dies erscheint allerdings unbefriedigend. Es würde auch den Bestimmungen und Zielen des Erschließungsbeitragsrechts nicht gerecht werden, wonach die Gemeinden verpflichtet sind, Erschließungsbeiträge zu erheben. Durch die Fertigstellung der Teileinrichtung entsteht der Gemeinde nachweisbar ein Aufwand. Nur diesen Aufwand kann sie abrechnen. Wenn die Gemeinde z. B. bei der Fahrbahn nur die Verschleißdecke herzustellen hat, rechnet sie im Ergebnis wohl die Teileinrichtung Fahrbahn ab. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Kosten der Fahrbahn nur aus Kosten für die Verschleißdecke bestehen. Andere Teilkosten der Fahrbahn sind bereits beim Erschließungsträger angefallen. Als Ergebnis bleibt demzufolge, dass die Gemeinde auch Kosten für Teile von Teileinrichtungen abrechnen muss.
Nun kann es vorkommen, dass ein Grundstückseigentümer, der ein Grundstück vom Erschließungsträger erworben hat, an diesen bereits die vollen Erschließungskosten bezahlt hat. Dieser Eigentümer muss trotzdem zu den Restkosten herangezogen werden. Privatrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Erschließungsträger und einem Grundstückseigentümer berühren das öffentlich-rechtliche Beitragsverhältnis nicht. Auch eine sich etwa ergebende Doppelbelastung rechtfertigt nicht ohne weiteres einen teilweisen Billigkeitserlass nach § 135 Abs. 5 BauGB (BVerwG, Urteil v. 6.6.1975 - IV C 27.73, DÖV 1975, 717 = DVBl. 1976, 306). Der Grundstückseigentümer kann auch nicht geltend machen, dass die Gemeinde im Erschließungsvertrag mit dem Erschließungsträger ausdrücklich auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen verzichtet hat. Aus diesem Vertrag können die Eigentümer erschlossener Grundstücke keine Rechte gegenüber der Gemeinde herleiten (BVerwG, Urteil v. 8.9.1972 - IV C 21.71, KStZ 1973, 77 = DVBl. 1973, 499).
5. Der Erschließungsträger wird insolvent
Im Falle der Insolvenz des Erschließungsträgers kann es vorkommen, dass die Gemeinde unfertige Erschließungsanlagen übernehmen muss. Das insolvente Unternehmen ist nicht mehr in der Lage, die Erschließungsanlagen endgültig herzustellen. Gegen dieses kann kein Arrest erwirkt werden. Die Gemeinde muss deshalb darauf achten, dass sie einen Erschließungsvertrag nur mit einem leistungsstarken Unternehmen abschließt. Generell sollte eine ausreichende Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft gefordert werden, um eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit des Erschließungsträgers abzudecken.
Im Insolvenzfall ist die Gemeinde gehalten, die Erschließungsanlagen fertig zu stellen. Die dadurch entstehenden Kosten sind beitragsfähige Aufwendungen i. S. von §§ 127 ff. BauGB. Zum Problem der Abrechnung von Teileinrichtungen wird auf den vorstehenden Abschnitt verwiesen. Die erschlossenen Grundstücke sind mit Erschließungsbeiträgen zu belasten, es sei denn, dass eine anderweitige Deckung, z. B. über die Vertragserfüllungsbürgschaft, möglich ist. Solche Zahlungen, die der Grundstückseigentümer bereits an den insolventen Erschließungsträger bezahlt hat, können nicht beitragsentlastend angerechnet werden. Die privaten Vereinbarungen zwischen Erschließungsträger und Grundstückseigentümer sind auch hier unbeachtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Erschließungsverträge grundsätzlich nicht als Verträge zu Gunsten der Eigentümer der erschlossenen Grundstücke anzusehen, mit der Folge, dass sie vom Erschließungsbeitrag befreit wären, wenn sie den Erschließungsaufwand bereits an den Erschließungsträger bezahlt haben (BVerwG, Urteil v. 9.11.1984 - 8 C 77.83, DVBl. 1985, 297 = NVwZ 1985, 346).
6. Die Erschließungsanlagen werden mangelhaft hergestellt
Im Erschließungsvertrag gehört auf jeden Fall vereinbart, dass die Gemeinde die Bauarbeiten kontrolliert und der Erschließungsträger die Pflicht zur Beseitigung von Mängeln hat. Für den Fall des Verzugs bei der Mängelbeseitigung sollte sich die Gemeinde das Recht vorbehalten, dass sie die Arbeiten auf Kosten des Erschließungsträgers selbst vornehmen kann. Enthält der Vertrag hierzu klare Bestimmungen, tut sich die Gemeinde leichter, als wenn sie auf die Vorschriften des BGB zur Schlechterfüllung zurückgreifen und notfalls Klage erheben muss.
© IKV Erwin Ruff 2010