Grundsteuerfestsetzung durch öffentliche Bekanntmachung


Öffentliche Bekanntmachung ersetzt den jährlichen Grundsteuerbescheid

Immer mehr Gemeinden verzichten aus Kostengründen auf den Versand jährlicher Grundsteuerbescheide. Stattdessen kann die Gemeinde gemäß § 27 Abs. 3 GrStG die Grundsteuer für diejenigen Steuerschuldner, bei denen die Steuer gegenüber dem Vorjahr unverändert bleibt, durch öffentliche Bekanntmachung festsetzen. Die im zuletzt bekanntgegebenen Grundsteuerbescheid enthaltenen Fälligkeitstermine gelten auch für das laufende Jahr. Die Steuerpflichtigen sollten deshalb den letzten schriftlichen Grundsteuerbescheid aufzubewahren. Die Gemeinde ist nämlich nicht verpflichtet, zusätzlich zur öffentlichen Bekanntmachung auch noch einen Grundsteuerbescheid zu schicken.1) Ein Grundsteuerbescheid ergeht nur noch dann, wenn eine Steuerpflicht neu begründet wird, der Steuerschuldner wechselt oder sich die Höhe der Steuerschuld wegen eines neuen Grundsteuermessbescheids oder der Erhöhung des Hebesatzes ändert. Eine Festsetzung durch öffentliche Bekanntmachung setzt damit in jedem laufenden Einzelfall voraus, dass die Gemeinde im Festsetzungsjahr den Hebesatz nicht geändert hat und der Grundsteuermessbetrag des Vorjahres für das Grundstück unverändert bleibt.2) Für die Steuerschuldner treten mit dem Tage der öffentlichen Bekanntmachung die gleichen Rechtswirkungen ein, wie wenn ihnen an diesem Tage ein schriftlicher Bescheid zugegangen wäre. Damit ersetzt die öffentliche Bekanntmachung den Erlass eines schriftlichen Grundsteuerbescheides.


Wirkung der öffentlichen Bekanntmachung

Die Festsetzung der Grundsteuer durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 27 Abs. 3 GrStG ist eine Spezialvorschrift gegenüber § 122 Abs. 3 und 4 AO. Deshalb gilt auch nicht § 122 Abs. 4 Satz 2 AO, wonach bei der öffentlichen Bekanntmachung eines schriftlichen Verwaltungsakts anzugeben ist, wo dieser Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. § 27 Abs. 3 Satz 1 GrStG erleichtert aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Festsetzung der Steuer. Demgegenüber geht es in § 122 Abs. 4 Satz 2 AO um die Bekanntgabe eines Bescheides. Die dort getroffene Regelung ergänzt § 122 Abs. 3 Satz 1 AO, die wiederum voraussetzt, dass ein individuell existierender Bescheid lediglich in vereinfachter Weise bekanntgegeben wird. Darüber geht § 27 Abs. 3 Satz 1 GrStG hinaus, weil es die Steuer ausdrücklich festsetzt, und zwar nicht individuell für einen Einzelfall, sondern allgemein für alle davon betroffenen Steuerfälle. Nachdem die individuelle Festsetzung der Grundsteuer entfällt, gibt es auch keinen Steuerbescheid, der als solcher irgendwo eingesehen werden könnte.3) Die Spezialvorschrift des § 27 Abs. 3 Satz 1 GrStG regelt dementsprechend abschließend, in welcher Weise bei der von ihm zugelassenen erleichterten Steuerfestsetzung zu verfahren ist. Mit diesem Inhalt genügt § 27 Abs. 3 Satz 1 GrStG den Anforderungen des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes. Zudem trifft die Festsetzung der Grundsteuer durch öffentliche Bekanntmachung die Steuerpflichtigen nicht unvorbereitet und überraschend. Sie sind durch den letzten bekanntgegebenen schriftlichen Steuerbescheid vorinformiert und wissen, dass sie von der Gemeinde zur Grundsteuer veranlagt werden. Aufgrund der ihnen individuell bekanntgegebenen Bescheide des Finanzamts, das sind der Einheitswertbescheid und der Steuermessbescheid, kennen sie die für sie als maßgebend festgesetzten Besteuerungsgrundlagen i.S.v. § 184 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO. Der daran anknüpfende Grundsteuerbescheid der Gemeinde hat nur einen geringen Regelungsinhalt. Mit ihm wird lediglich der in der Haushaltssatzung beschlossene Hebesatz auf den im Steuermessbescheid festgesetzten Steuermessbetrag angewendet (§ 25 Abs. 1 GrStG). Diesen Vorgang können die betroffenen Grundeigentümer im Fall der Grundsteuerfestsetzung durch öffentliche Bekanntmachung anhand des ihnen zuletzt individuell bekanntgegebenen Steuerbescheids feststellen. Sofern dieser Bescheid nicht mehr vorliegen sollte, ist es den Betroffenen zuzumuten, von der Gemeinde eine entsprechende Auskunft einzuholen, auf deren Erteilung gemäß § 89 AO ein Rechtsanspruch besteht.4)


Eine öffentliche Bekanntmachung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 GrStG darf nicht mit der öffentlichen Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz verwechselt werden. Während eine öffentliche Bekanntmachung gegenüber dem betroffenen Personenkreis der Steuerpflichtigen wirkt, richtet sich die öffentliche Zustellung an eine individuelle Person. Zwecksetzung, Rechtswirkung, Form und Verfahren der öffentlichen Bekanntmachung und der öffentlichen Zustellung unterscheiden sich deutlich voneinander.5)


Erfordernis einer Rechtsbehelfsbelehrung

Gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 GrStG treten mit dem Tag der öffentlichen Bekanntmachung für den Steuerschuldner die gleichen Rechtswirkungen ein, wie wenn ihm an diesem Tage ein schriftlicher Steuerbescheid zugegangen wäre. Das ist auch für das Rechtsbehelfsverfahren bedeutend. Es gilt nicht die im zuletzt erlassenen schriftlichen Grundsteuerbescheid enthaltende Rechtsbehelfsbelehrung, sondern diejenige der öffentlichen Bekanntmachung. Hierfür gilt, wie für den schriftlichen Steuerbescheid die Vorschrift des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO, wonach die öffentliche Bekanntmachung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist. Die Rechtsbehelfsfrist beträgt nach § 70 Abs. 1 VwGO einen Monat. Sie beginnt am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung. Bei fehlender oder falscher Rechtsbehelfsbelehrung verlängert sich gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Rechtsbehelfsfrist auf ein Jahr. Zulässiger Rechtsbehelf ist nicht der Einspruch nach § 347 Abs. 1 AO, sondern der Widerspruch nach § 69 VwGO. In Niedersachsen, wo das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde, ist Klage nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO möglich. Bayern hat im Jahr 2007 ein fakultatives Widerspruchsverfahren eingeführt, wobei der Steuerpflichtige entweder zunächst Widerspruch einlegen oder sofort Klage erheben kann.


Bestandskräftige Grundsteuerfestsetzung nach einem Monat

Die Grundsteuerfestsetzung durch öffentliche Bekanntmachung wird im Einzelfall bestandskräftig, wenn der Steuerschuldner innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat keinen Rechtsbehelf einlegt. Ein Rechtsbehelf gegen die öffentliche Grundsteuerfestsetzung hat genauso wie bei der Festsetzung per Einzelbescheid keine aufschiebende Wirkung, weil es sich um die Anforderung öffentlicher Abgaben handelt, bei der die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt. Die öffentliche Bekanntmachung enthält zugleich das Leistungsgebot, so dass die Grundsteuer ohne besondere Zahlungsaufforderung fällig wird. Beim Zahlungsverzug ist ohne weiteres eine Mahngebühr zulässig.6) Den Gemeinden wird empfohlen, in die öffentliche Bekanntmachung eine Zahlungsaufforderung etwa wie folgt aufzunehmen: „Die Steuerpflichtigen, die keine Einzugsermächtigung erteilt haben, werden gebeten, die Grundsteuer für das laufende Jahr zu den Fälligkeitsterminen und mit den Beträgen, die sich aus dem letzten schriftlichen Grundsteuerbescheid ergeben, unter Angabe des Buchungszeichens zu überweisen. Die Gemeindekasse hat folgende Bankkonten:.........“


Sofern im laufenden Jahr bereits eine Grundsteuerfestsetzung durch schriftlichen Bescheid und anschließend nochmals durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt, genügt es, wenn der Steuerpflichtige seinen Rechtsbehelf gegen den Einzelbescheid erhoben hat. Ein nochmaliger Widerspruch gegen die öffentliche Bekanntmachung ist nicht erforderlich. Soweit die Gemeinde neben einer öffentlichen Bekanntmachung zusätzlich im Einzelfall einen schriftlichen Steuerbescheid erlässt, ist anzunehmen, dass dieser in seinen rechtlichen Wirkungen Vorrang vor der öffentlichen Bekanntmachung nach § 27 Abs. 3 GrStG haben soll, so dass sich die Rechtsschutzmöglichkeiten des Steuerschuldners allein nach diesem richten.7)


Hat ein betroffener Grundstückseigentümer ausnahmsweise keine Möglichkeit, in zumutbarer Weise von der Grundsteuerfestsetzung durch öffentliche Bekanntmachung Kenntnis zu nehmen, weil er beispielsweise in einer anderen Gemeinde wohnt, kann ihm im Fall der Versäumung der Rechtsbehelfsfrist der Rechtsschutz durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährleistet werden.8)



  1. BVerwG, Urteil vom 21.11.1986 – 8 C 127.84, ZKF 1987, 84 = DVBl 1987, 629 = KStZ 1987, 73.

  2. Kühnold, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand 85. Lfg. August 2014, § 27 GrStG Rn. 8.

  3. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 135. Lfg. März 2014, § 122 Rn. 65; Rheindorf/Weidemann, Die öffentliche Bekanntgabe und öffentliche Zustellung eines Verwaltungsakts, DVP 2012, 310.

  4. BVerwG, Urteil vom 21.11.1986 – 8 C 127.84, ZKF 1987, 84 = DVBl 1987, 629 = KStZ 1987, 73.

  5. VG München, Urteil vom 17.12.2010 – M 10 K 10.3269, juris.

  6. VG Braunschweig, Urteil vom 11.12.1991 – 3 A 3196/91, ZKF 1992, 112 = GemHH 1992, 73 = KKZ 1992, 137.

  7. VG Halle (Saale), Urteil vom 01.02.2010 – 4 A 304/09, juris.

  8. BVerwG v. 21.11.1986 – 8 C 127.84, ZKF 1987, 84 = DVBl 1987, 629 = KStZ 1987, 73.


Rechtsstand März 2016



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