Grundsteuernachberechnung und Umlage auf die Mieter
Das aktuelle Urteil: Rückwirkende Umlage der erhöhten Grundsteuer: Der Vermieter kann auch noch nach Jahren Betriebskosten nachfordern, wenn er sich eine Nachforderung ausdrücklich vorbehalten hatte. Erst wenn dem Vermieter die genauen Kosten bekannt sind, beginnt die Verjährung zu laufen. Das hat jetzt der BGH entschieden. Streitig war eine Nachforderung für die Grundsteuer. Der Vermieter hatte eine Neufestsetzung der Grundsteuer erwartet und behielt sich in seiner jährlichen Betriebskostenabrechnung deshalb eine Neuberechnung vor. Nachdem der neue Steuerbescheid im Dezember 2007 erlassen worden war, hat der Vermieter im Januar 2008 für die Jahre 2002 bis 2006 die nachgeforderte Grundsteuer auf den Mieter umgelegt. Dieser war allerdings der Meinung, dass die Nachforderung wegen der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren weitgehend hinfällig sei. Der BGH hat dem Vermieter Recht gegeben und entschieden, dass eine Abrechnung unter Vorbehalt zulässig ist, wenn der Vermieter ohne sein Verschulden nur vorläufig abrechnen kann. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst, nachdem der Vermieter die konkreten Kosten kennt, er also den Grundsteuernachforderungsbescheid erhalten hat (BGH, Urteil v. 12.12.2012 – VIII ZR 264/12, WuM 2013, 108). |
---|
1. Änderung eines rechtskräftigen Steuerbescheids
Nach dem allgemeinen Abgabenrecht wird ein Grundsteuerbescheid nach Ablauf der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist rechtskräftig und ist damit für die Behörde und auch für den Steuerpflichtigen verbindlich. Davon gibt es aber die folgenden zwei Ausnahmen:
Das Finanzamt erlässt rückwirkend einen neuen Einheitswert- und Steuermessbescheid, woraufhin die Gemeinde1 ebenfalls rückwirkend die Grundsteuer neu festsetzt.
Die Gemeinde hat die Grundsteuer nach Maßgabe des bisherigen Hebesatzes bereits rechtswirksam angefordert, erhöht dann aber bis spätestens 30. Juni des laufenden Jahres den Grundsteuerhebesatz und ersetzt den bereits ergangenen Grundsteuerbescheid durch einen neuen Steuerbescheid mit einer höheren Grundsteuer.
Durch die geänderten Bescheide wird der Grundstückseigentümer mit einer höheren Grundsteuer belastet. Nachdem aber die ursprüngliche Grundsteuerfestsetzung jeweils schon rechtskräftig geworden war, ist es bedeutsam, unter welchen Voraussetzungen ein rechtskräftiger Grundsteuerbescheid nachträglich geändert werden kann, und das sogar rückwirkend. Für den vermietenden Eigentümer stellt sich auch die Frage, wie er die höhere Grundsteuer seinen Mietern als Betriebskosten weitergeben kann, womöglich auch noch rückwirkend.
2. Rechtsgrundlagen für die Grundsteuer
2.1 Maßgebend ist noch der Einheitswert 1964
Rechtsgrundlage für die Grundsteuer ist das Grundsteuergesetz – GrStG.2 Ergänzend gelten die Grundsteuerdurchführungsverordnung3 und die Grundsteuerrichtlinien.4 Für bebaubare und bebaute Grundstücke wird die Grundsteuer B erhoben. Bemessungsgrundlage hierfür ist nicht der tatsächliche Verkehrswert der Immobilie, sondern der deutlich niedrigere steuerliche Einheitswert aus dem Jahr 1964. Aufgrund der sog. „Einheitswertbeschlüsse“ des Bundesverfassungsgerichts5 ist dieser für die Grundsteuer maßgebende Einheitswert allerdings in die politische Diskussion geraten. Deshalb hat bereits im Jahr 1995 die Finanzministerkonferenz beschlossen, die Einheitsbewertung bei der Grundsteuer nur noch für eine Übergangszeit beizubehalten. Seither wird über die Reform der Grundsteuer und der Bewertung der Grundstücke diskutiert. Nach einer aktuellen Machbarkeitsstudie Grundsteuer auf der Basis von Verkehrswerten wollen die Bundesländer jetzt einen neuen Anlauf zur Reform der Grundsteuer machen.6
2.2 Die Grundsteuerformel
Die Grundsteuer wird nach der momentanen Rechtslage in drei Schritten berechnet. Zunächst ermittelt das Finanzamt den grundsteuerrechtlichen Einheitswert nach dem Bewertungsgesetz.7 Daraufhin setzt es den Steuermessbetrag fest, indem der Einheitswert mit der Steuermesszahl multipliziert wird. Der Grundstückseigentümer erhält hierüber einen Einheitswert- und Steuermessbescheid. Und in einem dritten Schritt berechnet die Gemeinde die Grundsteuerschuld, indem sie den Steuermessbetrag mit dem örtlichen Hebesatz multipliziert.
Weil es in der früheren DDR keine Einheitswertfeststellung zum Jahr 1964 gegeben hat, gilt in den ostdeutschen Bundesländern und im früheren Ostberlin übergangsweise Folgendes: Sofern ein Einheitswert 1935 festgestellt ist, gilt dieser für die Ermittlung des Grundsteuermessbetrags. Bei Einfamilienhäusern und Mietwohngrundstücken, für die ein Einheitswert 1935 nicht vorhanden ist, wird gemäß § 42 GrStG eine pauschale Grundsteuer nach der Wohnfläche erhoben.
Schon mehrmals war die Grundsteuer Gegenstand von Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht, aller aber erfolglos. Das Bundesverfassungsgericht hat erst im Jahr 2009 zum wiederholten Male zum Ausdruck gebracht, dass die Grundsteuer dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der Verfassung entspricht.8
3. Auswirkungen eines geänderten Steuermessbescheids
Sofern sich im Besteuerungsverfahren nachträglich neue Tatsachen ergeben oder ein Gebäude baulich verändert wird, setzt das Finanzamt den Einheitswert neu fest und erlässt einen neuen Steuermessbescheid. Dieser ist für das Steuerverfahren bindend, sodass die Gemeinde verpflichtet ist,daraus die gesetzlichen Folgerungen zu ziehen,9 was nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine Anpassungsverpflichtung für den Steuerbescheid bedeutet.10 Die Gemeinde muss also aufgrund eines neuen Steuermessbescheids auch einen neuen Grundsteuerbescheid ausfertigen.11, 12
4. Erhöhung des Hebesatzes während des Steuerjahres
Gemäß § 25 Abs. 1 GrStG hat die Gemeinde die Hebesätze für die Grundsteuer A und B festzusetzen. Das geschieht üblicherweise in der jährlichen Haushaltssatzung. Zulässig ist aber auch eine besondere Hebesatzsatzung.13 Per Grundsteuerbescheid wird dann gemäß § 27 Abs. 1 GrStG die jährlich fällige Steuerschuld festgesetzt. Für diejenigen Steuerschuldner, die für das Kalenderjahr die gleiche Grundsteuer wie im Vorjahr zu entrichten haben, kann die Grundsteuer gemäß § 27 Abs. 3 GrStG durch öffentliche Bekanntmachung festgesetzt werden. Gemäß § 29 GrStG hat der Steuerschuldner bis zur Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheids zu den bisherigen Fälligkeitstagen Vorauszahlungen unter Zugrundelegung der zuletzt festgesetzten Jahressteuer zu entrichten.
Nach kommunalem Haushaltsrecht aller Bundesländer hat die Gemeinde ihre Haushaltssatzung vor Beginn des Haushaltsjahres zu beschließen.14 Diesem Idealfall kommen aber nur die wenigsten Gemeinden nahe. Meistens wird die Haushaltssatzung im ersten Vierteljahr des schon laufenden Haushaltsjahres beschlossen. Im Hinblick auf § 25 Abs. 3 GrStG ist das problemlos. Der Beschluss über einen gegenüber dem Vorjahr unveränderten Hebesatz könnte auch noch kurz vor Ende des Haushaltsjahres erfolgen. Der Beschluss des Hebesatzes gilt gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG mit Wirkung vom Beginn des Kalenderjahres an.
Sofern eine Gemeinde den geltenden Hebesatz gegenüber dem Vorjahr erhöhen will, muss sie den Beschluss dazu spätestens bis zum 30. Juni des laufenden Jahres gefasst haben. Auch in diesem Fall gilt der neue Hebesatz rückwirkend auf den Beginn des Kalenderjahres. Maßgebend ist allein das Beschlussdatum, das nach § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG zwingend vor Ablauf des 30. Juni liegen muss. Für die Rechtswirksamkeit der Änderung des Hebesatzes kommt es dagegen weder auf den Zeitpunkt der förmlichen Veröffentlichung des Änderungsbeschlusses noch auf den Zeitpunkt einer etwaigen Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde an.15 Die in § 25 Abs. 3 GrStG enthaltene Fristbestimmung bezieht sich allein auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderats.16
Wenn die Gemeinde ihren Hebesatz für das laufende Jahr bereits beschlossen hat, kann der Gemeinderat trotzdem eine weitere Hebesatzerhöhung beschließen.17 Insoweit besteht bis zum 30. Juni ein Schwebezustand, der es ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger berechtigterweise darauf vertrauen kann, die Grundsteuer werde sich in diesem Jahr nicht weiter erhöhen.18 Aus § 25 Abs. 3 GrStG ist nämlich nicht zu entnehmen, dass für das Haushaltsjahr der Hebesatz nur einmalig beschlossen werden kann. Die Vorschrift setzt lediglich eine zeitliche Grenze für die Erhöhung des Hebesatzes: Nach dem 30. Juni kann der Hebesatz für das laufende Jahr nicht mehr angehoben werden. Bis zu diesem Datum ist eine Erhöhung des bereits festgelegten Hebesatzes ohne weiteres zulässig.19 Sofern für das betreffende Jahr bereits ein Grundsteuerbescheid erlassen wurde, ist dieser nach § 27 Abs. 2 GrStG durch einen neuen Steuerbescheid mit der gesamten höheren Jahressteuer zu ersetzen.
Die Erhöhung des Hebesatzes bis zum 30. Juni mit Wirkung ab 1. Januar des betreffenden Jahres ist im Grundsteuergesetz ausdrücklich vorgesehen und verfassungsrechtlich unbedenklich., 20 weil es sich rechtlich gesehen um keine rückwirkende Änderung der Rechtslage handelt.21 Ein derartiger Gemeinderatsbeschuss ist grundsätzlich möglich, weil das öffentliche Interesse das Vertrauensinteresse des Betroffenen an der Fortgeltung der früheren Rechtslage verdrängt.22 Zudem kann der Steuerpflichtige während des laufenden Erhebungszeitraums grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass es uneingeschränkt beim bisherigen Hebesatz bleibt.23
5. Zulässiger Rechtsbehelf
Sowohl gegen einen Einheitswert- und Steuermessbescheid des Finanzamts als auch gegen den Grundsteuerbescheid der Gemeinde ist ein Rechtsbehelf zulässig. Das ist bei den Bescheiden des Finanzamts der Einspruch nach § 347 Abs. 1 AO und beim Grundsteuerbescheid der Gemeinde der Widerspruch nach § 69 VwGO. In denjenigen Bundesländern, in denen in den letzten Jahren das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde, kann man sofort Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht erheben. Für alle Rechtsbehelfe gilt die Frist von einem Monat seit Bekanntgabe des Bescheids. Weil das eine gesetzliche Ausschlussfrist ist, werden verspätete Rechtsmittel als unzulässig verworfen.
Wer den Einheitswert- und Grundsteuermessbescheid anfechten will, muss dies nach § 355 AO innerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe unmittelbar gegenüber dem Finanzamt machen und darf damit nicht warten, bis er auch den Grundsteuerbescheid von der Gemeinde erhalten hat. Werden die Grundlagenbescheide des Finanzamts nämlich rechtskräftig, sind sie nach §§ 182 Abs. 1 und 184 Abs. 1 Satz 4 AO auch bindend für die Grundsteuerveranlagung.24 Rechtskräftige Grundlagenbescheide des Finanzamts können nach § 351 Abs. 2 AO durch einen Widerspruch oder eine Klage gegen den Grundsteuerbescheid nicht mehr angefochten werden.25
Im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Grundsteuerbescheid kann auch der Hebesatz angefochten werden.26 Allerdings hat bisher noch kein Gericht einen Grundsteuerhebesatz als unzulässig hoch verworfen. Weil es über die maximale Höhe des Grundsteuerhebesatzes keine gesetzliche Beschränkung gibt, hat die Gemeinde ein weites Festsetzungsermessen.27 In steuerrechtlicher Hinsicht ist das Hebesatzrecht der Gemeinde allein durch das aus Art. 20 Abs. 1 GG folgende Gebot sozialer Steuerpolitik begrenzt.28 Dieses bedeutet aber nur, dass Geldleistungspflichten die Betroffenen nicht übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen dürfen.29 Nach einheitlicher und gefestigter Rechtsprechung wäre der Hebesatz erst dann unangemessen hoch, wenn er „erdrosselnde Wirkung“ hätte.30 Davon könnte allenfalls nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur ein einzelner Grundstückseigentümer die Steuer nicht mehr aufbringen kann, sondern wenn dies für die Gesamtheit aller Steuerpflichtigen gilt.31
Die Einheitswerte, auf die sich der Grundsteuermessbetrag bezieht, liegen weit unter dem Verkehrswert einer Immobilie, sodass schon aus diesem Grund die Grundsteuerquote bezogen auf den Verkehrswert als gering einzustufen ist.32 Die Gerichte werten die Grundsteuer im Verhältnis zum Immobilienwert wohl nur als marginale finanzielle Belastung der Eigentümer.33 Die Steuer soll auch nicht die Substanz- und Bestandsgarantie des Grundeigentümers verletzen, da der Gesetzgeber bei typisierender und generalisierender Betrachtung voraussetzt, dass die Steuer aus dem Vermögensertrag aufgebracht werden kann. Das ist bei den relativ geringen Grundsteuerbeträgen ohne weiteres anzunehmen.34 So gesehen ist auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unmissverständlich, wonach die Grundsteuer der Verfassung entspricht und als Objektsteuer grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Grundbesitzers erhoben wird.35 Zudem kann die Grundsteuer als Betriebskosten i.S. von § 2 Nr. 1 BetrKO auf den Mieter umgelegt werden kann, sodass der vermietende Grundstückseigentümer gar nicht belastet wird.
6. Umlage der nachberechneten Grundsteuer auf die Mieter
6.1 Abweichen von der gesetzlichen Abrechnungsfrist
Die Grundsteuer kann bei entsprechender Vereinbarung im Mietvertrag nach § 2 Nr. 1 BetrKV auf den Mieter abgewälzt werden. Das schließt auch die nachberechnete Grundsteuer ein. Denn ausnahmsweise kann der Vermieter hierzu die erledigte Betriebskostenabrechnung ändern. Das ist vor oder sogar nach Ablauf der Abrechnungsfrist möglich. Grundsätzlich ist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB die Betriebskostenabrechnung innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Abrechnungszeitraums aufzustellen. Der jährliche Abrechnungszeitraum muss nicht zwingend mit dem Kalenderjahr übereinstimmen.36 Von der gesetzlichen Abrechnungsfrist von 12 Monaten nach Ablauf des Abrechnungszeitraums darf nicht abgewichen werden, weil sie eine Ausschlussfrist ist.37
Nur wenn der Vermieter die verspätete Geltendmachung von Grundsteuer nicht zu vertreten hat, kann er auch noch nach Ablauf der Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB weitere Grundsteuerforderungen geltend machen.38 Beispiel: Nach einem Umbau hat das Finanzamt erst mit zeitlicher Verzögerung einen neuen Einheitswert und auch einen höheren Grundsteuermessbetrag festgesetzt. Im ungünstigsten Fall bekommt der Vermieter den deshalb ebenfalls verzögerten neuen Grundsteuerbescheid erst lange, nachdem er die Betriebskosten abgerechnet hat.39
Es geht also um die Nachberechnung von Kosten, die bei der Betriebskostenabrechnung für das jeweilige Jahr noch gar nicht bekannt waren. Dass die Gemeinde erst nach Ablauf der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Abrechnungsfrist weitere Grundsteuerforderungen geltend macht, hat der Vermieter nicht zu vertreten.40 Deshalb ist es gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB zulässig, die nachberechnete Grundsteuer auch auf die Mieter umlegen.41 Umgekehrt würde nämlich auch der Mieter darauf bestehen, dass die Betriebskostenabrechnung berichtigt wird, wenn sich nachträglich eine geringere Grundsteuer herausstellen sollte. Wenn der Vermieter bei seiner Betriebskostenabrechnung bereits damit rechnen muss, dass er an die Gemeinde aus Vorjahren noch Grundsteuer nachzahlen muss, kann er die Mieter vorsorglich darüber informieren.42 Dass der Vermieter beim Finanzamt oder bei der Gemeindeverwaltung nachfragen oder auf Erlass der entsprechenden Bescheide innerhalb der Abrechnungsfrist drängen muss, dürfte ihm kaum zumutbar sein; es wird in der Praxis sowieso nicht weiterhelfen und ist auch keine Rechtspflicht des Vermieters.43
Eine zeitliche Begrenzung der Grundsteuernachforderungen gibt es nicht. Maßgebend ist § 556 Abs. 3 BGB, dort ist keine sperrende Regelung enthalten. Die frühere Rechtsprechung zu § 4 Abs. 3 MHG ist nicht mehr anwendbar.44 Wenn der Vermieter die nachveranlagte Grundsteuer auf die Mieter umlegen will, kann er die bereits abgeschlossenen Betriebskostenabrechnungen der entsprechenden Wirtschaftsjahre ändern. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob der Vermieter seine Nachforderung nach dem Abflussprinzip oder nach dem Leistungsprinzip (Zeitabgrenzungsprinzip) geltend machen kann. Nach dem Abflussprinzip könnte er die nachveranlagte Grundsteuer vom Mieter einfach im Gesamtbetrag in dem Jahr verlangen, in dem er den Grundsteuerbescheid über die Nachveranlagung erhalten hat. Wenn er sich für das Leistungsprinzip entscheidet, müsste er die Grundsteuernachveranlagung anteilig den jeweiligen Abrechnungszeiträumen zuordnen. Der BGH hält wohl beide Prinzipien für anwendbar,45 hat darüber aber noch keine Entscheidung getroffen.46 Das LG Berlin vertritt die Ansicht, dass Betriebskosten – speziell bei nachgeforderter Grundsteuer – immer nach dem Leistungsprinzip abzurechnen sind.47
6.2 Nachforderung während eines aktuellen Mietverhältnisses
Problemlos ist die Abrechnung der nachveranlagten Grundsteuer, wenn die Mieter der bereits abgerechneten Zeiträume auch noch die gegenwärtigen Mieter sind. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die nachberechnete Grundsteuer nach dem Leistungs- oder dem Abflussprinzip geltend gemacht wird. Aus Vereinfachungsgründen bestehen aber keine Bedenken dagegen, die gesamte nachträgliche Grundsteuer nach dem Abflussprinzip umzulegen. Die Mieter zahlen so oder so den gleichen Betrag.
6.3 Nachforderung bei beendetem Mietverhältnis
Fordert die Gemeinde beispielsweise für die Jahre 2007 und 2008 Grundsteuer nach und im Jahr 2008 war in einer Wohnung ein Mieterwechsel, wäre es ungerecht, wenn der neue Mieter die erhöhte Grundsteuer für 2007 nachzahlen soll, obwohl er in diesem Jahr die Wohnung gar nicht bewohnt hat. Deshalb kann ein Mieter rückwirkend nur für die Grundsteuer in Anspruch genommen werden, die innerhalb seiner Mietzeit entstanden ist.48 Bei einem Mieterwechsel muss der neue Mieter demnach nicht die Grundsteuernachforderungen gegenüber dem bisherigen Mieter zahlen.49 Vielmehr kann der Vermieter beim ausgezogenen Mieter, der in diesem Beispiel im Jahr 2007 noch dort wohnhaft war, die nachgeforderte Grundsteuer auch noch rückwirkend verlangen. Es spielt keine Rolle, dass das Mietverhältnis jetzt beendet ist. Die erhöhte Grundsteuer ist schließlich für ein Jahr entstanden, in dem der frühere Mieter in der Wohnung war.50
Ob der Vermieter im Falle eines Mieterwechsels nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert sein könnte, Betriebskosten – also auch die nachgeforderte Grundsteuer – nach dem Abflussprinzip abzurechnen, hat der BGH noch offengelassen.51 Allerdings ist eine Nachforderung nach dem Abflussprinzip ungerecht, weil es den Nachmieter mit Kosten belastet, die außerhalb seiner Mietzeit entstanden sind.52 Deshalb wird im Falle eines Mieterwechsels die nachveranlagte Grundsteuer gerechterweise nach dem Leistungsprinzip abzurechnen sein.
7. Nachforderung nur innerhalbvon drei Monaten
Für die Nachforderung von Grundsteuer hat der Vermieter allerdings nur ein enges Zeitfenster. Er kann die zusätzliche Grundsteuer für zurückliegende Jahre nur innerhalb von drei Monaten, nachdem ihm der Grundsteuerbescheid zugegangen ist, auf den Mieter umlegen.53 Das gilt zumindest dann, wenn die Betriebskostenabrechnung bereits erledigt ist. In diese Abrechnungskategorie fällt eine Grundsteuernachforderung aufgrund eines geänderten Einheitswert- und Steuermessbescheids.
Nach Auffassung des LG Rostock54 soll es bei der Grundsteuernachforderung auch auf die Verjährung ankommen, zumindest dann, wenn das Mietverhältnis bereits beendet und nur noch die Grundsteuernachforderung offen ist. Bei Nachforderungen für einen länger zurückliegenden Zeitraum sei hinsichtlich der Fälligkeit auf die jeweilige Jahresabrechnung abzustellen. Die Verjährung beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abrechnung dem Mieter zugehe. Dem kann allerdings auch entgegengehalten werden, dass die Verjährungsfrist für die gesamte Grundsteuernachforderung erst zum 1.1. des folgenden Jahres zu laufen beginne.55
8. Nachforderung bei Gewerberäumen
Auch im Gewerbemietrecht ist eine Grundsteuernachforderung nach den oben ausgeführten Grundsätzen zulässig, sofern die Umlage der Grundsteuer vereinbart wurde. Allerdings kann hier nicht auf § 556 Abs. 3 BGB zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift nach § 578 BGB nur für Wohnräume gilt. Bei einer erst nach Jahren möglichen Grundsteuernachforderung kann der Gewerbemieter keine Verwirkung geltend machen.56
Der Begriff „Gemeinde“ gilt auch für eine Stadt. In den Stadtstaaten wird die Grundsteuer durch das Finanzamt erhoben.
Vom 7.8.1973, BGBl. I, S. 965, zuletzt geändert am 19.12.2008, BGBl. I, S. 2794.
Vom 1.7.1937, RGBl. I, S. 733, geändert am 19.12.2000, BGBl. I, S. 1802.
I. d. F. v. 9.12.1978, BStBl I 1978, S. 553.
Vom 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615 und BvR 552/91, NJW 1995, 2624.
Diese Machbarkeitsstudie ist auf der Internetseite der Bremer Finanzverwaltung veröffentlicht: http://finanzen.bremen.de/sixcms/media.php/13/Machbarkeitsstudie_lang__22.pdf.
I. d. F. v. 1.2.1991, BGBl. I, S. 230, zuletzt geändert am 24.12.2008, BGBl. I, S. 3018.
BVerfG, Beschluss v. 18.2.2009 – 1 BvR 1334/07, NJW 2009, 1868.
VG Frankfurt/Oder, Beschluss v. 22.9.2005 – 4 L 179/05, juris.
BFH, Urteil v. 4.11.1992 – X R 13/91, BFH/NV 1993, 454.
VG Frankfurt/M., Beschluss v. 4.1.2008 – 10 G 3631/07, juris.
VG Frankfurt/M., Beschluss v. 4.1.2008 – 10 G 3631/07, juris.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.8.1990 – 22 A 57/89, KStZ 1991, 174; BayVGH, Beschlüsse v. 21.2.2006 – 4 ZB 05.1171, KommunalPraxis BY 2006, 188 und 4 ZB 05.1169, BayVBl. 2007, 213; VG Frankfurt/Oder, Beschluss v. 22.9.2005 – 4 L 179/05, juris; Glier, Grundsteuer-Kommentar, 2010, Nr. 3a zu § 25.
Z.B. nach § 81 Abs. 2 GemO BW.
BVerwG, Beschluss v. 13.7.1979 – 7 B 143/79, KStZ 1980, 12 = BayVBl. 1979, 730 = BB 1980, 86; OVG LSA, Beschluss v. 4.2.1996 – 2 M 65/95, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.1.2009 – 3 K 2287/04 B, juris.
Troll/Eisele, Kommentar zum GrStG, 9. Auflage, Anm. 7 zu § 25; Glier, Grundsteuer-Kommentar, 2010, Nr. 4 zu § 25.
Troll/Eisele, Kommentar zum GrStG, 9. Auflage, Anm. 7 zu § 25.
BVerwG, Beschluss v. 13.7.1979 – 7 B 143/79, KStZ 1980, 12 = BayVBl. 1979, 730 = BB 1980, 86; VG Düsseldorf, Urteil v. 17.11.1988 – 11 K 5427/87; ZKF 1989, 156.
BayVGH, Beschluss v. 21.2.2006 – 4 ZB 05.1169, BayVBl. 2007, 213; VG Minden, Urteil v. 10.11.2004 – 11 K 5746/03, juris.
BVerfG, Beschluss v. 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287 = BStBl II 1985, 181.
OVG NRW, Beschluss v. 17.11.1999 – 14 A 4793/99, juris.
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.1.2009 – 3 K 2287/04 B, juris.
BFH, Beschluss v. 18.8.2004 – I B 87/04, BStBl II 2005, 143.
OVG Koblenz, Urteil v. 25.11.2003 – 6 A 11239/03, NvwZ-RR 2004, 372; OVG Saarland, Beschluss v. 19.4.1989 – 1 W 55/89; VG Saarland, Urteil v. 29.5.2009 – 11 K 2084/07, juris; VG Köln, Beschluss v. 27.4.2009 – 23 K 692/09, juris.
BFH, Urteil v. 10.3.1993 – II R 9/93, BFH/NV 1994, 452; BVerfG, Beschluss v. 18.2.2009 – 1 BvR 1334/07, NJW 2009, 1868; VG Frankfurt/Oder, Beschluss v. 22.9.2005 – 4 L 179/05, juris; VG Minden, Urteil v. 20.4.2009 – 5 K 1210/08, juris.
Stöckel, Grundsteuerrecht, Kommentar, 2003, Rdnr. 5 zu § 25.
VGH BW, Urteil v. 5.10.1989 – 2 S 1429/87, KStZ 1990, 35; VGH BW, Beschluss v. 12.2.1998 – 2 S 1648/97, NVwZ 1998, 1325 = VBlBW 1998, 269 = Justiz 1998, 430; BVerwG, Urteil v. 11.6. 1993 – 8 C 32/90, KStZ 1993, 193; BayVGH, Beschluss v. 21.2.2006 – 4 ZB 05.1171, KommunalPraxis BY 2006, 188; BFH, Beschluss v. 4.8.2005 – II B 145/04, BFH/NV 2005, 2054.
BVerfG, Beschluss v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331.
VG Aachen, Urteil v. 24.3.1997 – 6 K 3497/96, NVwZ-RR 1998, 200; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 3.12.2007 – 5 K 3097/06, juris; VG Münster, Urteil v. 28.8.2007 – 9 K 1205/06, juris.
Z.B. FG Bremen, Urteil v. 8.5.1995 – 2 94 205 K 5, EFG 1995, 846; Freisburger, Kommunale Hebesätze – Rechtliche und tatsächliche Grenzen, KStZ 2000, 41.
OVG Münster, Urteil v. 23.1.1997 – 22 A 7042/95; BayVGH, Beschluss v. 11.2.1976 – 243 IV 74, BayVBl. 1976, 341 = KStZ 1976, 150; FG Berlin, Urteil v. 6.10.2004 – 2 K 2386/02, EFG 2005, 390; VG Aachen, Urteil v. 24.3.1997 – 6 K 3497/96, NVwZ-RR 1998, 200; VG Düsseldorf, Urteil v. 17.11.1988 – 11 K 5427/87, ZKF 1989, 156.
BayVGH, Beschluss v. 21.2.2006 – 4 ZB 05.1169, BayVBl. 2007, 213.
BFH, Beschluss v. 22.7.2005 – II B 121/04, BFH/NV 2005, 1979.
VG Würzburg, Urteil v. 12.7.2006 – W 2 K 06.55, juris.
BVerfG, Beschluss v. 18.2.2009 – 1 BvR 1334/07, NJW 2009, 1868 = DWW 2009, 272 = DB 2009, 773.
Palandt, BGB, 69. Auflage, § 556 Rdnr. 10.
BGH, Urteil v. 18.1.2006 – VIII ZR 94/05, DWW 2006, 113 = WuM 2006, 150 = NJW 2006, 903; Palandt, BGB, 69. Auflage, § 556 Rdnr. 11.
LG Berlin, Urteil v. 30.8.2005 – 65 S 90/05, GE 2005, 1249; LG Halle, Urteil v. 8.2.2006 – 2 S 230/05, WuM 2006, 643.
Das könne bis zu acht Jahre dauern, R. Both in: Herrlein/Kandelhard, 3. Auflage, § 556 Rdnr. 34.
Siehe auch Begründung des Gesetzesentwurfs zur Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 51.
BGH, Urteil v. 5.7.2006 – VIII ZR 220/05, DWW, 2006, 419 = WuM 2006, 516 = ZMR 2006, 847, 1160; LG Berlin, Urteil v. 24.4.2006 – 67 S 435/05, GE 2006, 1098.
LG Berlin, Urteil v. 30.8.2005 – 65 S 90/05, GE 2005, 1249; LG Halle, Urteil v. 8.2.2006 – 2 S 230/05, WuM 2006, 643.
LG Rostock, Urteil v. 27.2.2009 – 1 S 200/08, WuM 2009, 232 = ZMR 2009, 924.
Z.B. LG Frankfurt a.M., Urteil v. 2.5.2000 – 2-11 S 409/99, NZM 2001, 583 = WuM 2000, 423.
So auch Palandt, BGB, 69. Auflage, § 535 Rdnr. 93.
BGH, Urteile v. 5.7.2006 – VIII ZR 220/05, DWW 2006, 419 = WuM 2006, 516 = ZMR 2006, 847 und v. 20.2.2008 – VIII ZR 49/07, NZM 2008, 277 = WuM 2008, 223.
LG Berlin, Urteil v. 10.2.2000 – 62 S 409/99, MM 2000, 220 und Urteil v. 30.8.2005 – 65 S 90/05, GE 2005, 1249.
AG Leipzig, Urteil v. 23.11.2001 – 99 C 8415/01, WuM 2002, 376; LG Hamburg, Urteil v. 8.2.2000 – 316 S 168/99, WuM 2000, 197; AG Neuss, Urteil v. 10.12.1991 – 36 C 250/91, DWW 1993, 296.
LG Berlin, Urteil v. 10.2.2000 – 62 S 409/99, GE 2000, 813.
LG Rostock, Urteil v. 27.2.2009 – 1 S 200/08, WuM 2009, 232 = ZMR 2009, 924.
BGH, Urteil v. 20.2.2008 – VIII ZR 49/07, NZM 2008, 277 = WuM 2008, 223.
So auch Langenberg, Zum Abflussprinzip nach den Grundsatzentscheidungen des BGH, WuM 2009, 19 m.w.N.; in der Tendenz eher zögerlich wohl auch Schmid, Die Abrechnung nach dem Abflussprinzip, DWW 2008, 162.
BGH, Urteil v. 5.7.2006 – VIII ZR 220/05, DWW 2006, 419 = WuM 2006, 516 = ZMR 2006, 847.
Urteil v. 27.2.2009 – 1 S 200/08, WuM 2009, 232 = ZMR 2009, 924.
D. Both, Anmerkung zu LG Rostock, jurisPR-MietR 18/2009, Anm. 4 = WuM 2009, 727.
LG Berlin, Urteil v. 12.12.2000 – 64 S 255/00, GE 2001, 347.
Rechtsstand Januar 2013 © IKV Erwin Ruff
|
---|