Einspruch gegen einen Steuerbescheid |
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1. Viele Steuerbescheide sind falsch
Wer blickt bei unserem komplizierten Steuerrecht eigentlich noch durch? Selbst Steuerberater und auch die Finanzbeamten tun sich schwer. Fachleute sind der Meinung, dass jeder dritte Steuerbescheid falsch sei. Es gab schon mehrere Anläufe, den Paragraphendschungel zu lichten, aber unsere Politiker sind dazu nicht willens oder nicht fähig. Auch verhindern die Lobbyisten jedwede Änderung zulasten ihrer Klientel. Die komplizierten Steuergesetze und die vielen Gerichtsentscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs führen zwangsläufig zu Fehlern bei der Steuerfestsetzung. Oft zu Lasten der Steuerzahler. Aber dagegen kann man sich wehren. Ist irgend etwas unklar im Steuerbescheid, sollte man Einspruch einlegen. Im Jahr 2015 wurde der Steuerbescheid in 64,5 Prozent der Fälle nach einem Einspruch abgeändert, wie die Einspruchsstatistik der Finanzverwaltung erkennen lässt. Wer sich nicht wehrt, verschenkt Geld.
2. Prüfen Sie jeden
Steuerbescheid genau nach
Prüfen Sie jeden Steuerbescheid
genau nach. Kontrollieren Sie, ob die Finanzbeamten alle Angaben aus
Ihrer Steuererklärung übernommen haben. Dazu finden Sie
wichtige Hinweise in den „Erläuterungen“ des
Bescheids. Die Beamten müssen Sie ausdrücklich darauf
hinweisen, wo sie von Ihrer Steuererklärung abgewichen sind.
Und: Abweichungen muss das Finanzamt begründen.
Gegen unberechtigte Steuerforderungen des Finanzamts sollten Sie sich wehren. Das ist Ihr gutes Recht als Steuerzahler. Wie Sie einen Steuerbescheid anfechten können, ergibt sich aus den §§ 347-367 der Abgabenordnung (AO). Die Vorschriften der AO regeln das „Außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren“. Das ist der Einspruch. Daneben gibt es das „Gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren“ in Form der Klage nach der Finanzgerichtsordnung (FGO). Bevor Sie Klage erheben können, müssen Sie das Einspruchsverfahren durchlaufen.
3. Wann
können Sie Einspruch einlegen?
Dazu
steht wörtlich in § 350 AO: „Befugt, Einsprüche
einzulegen, ist nur, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt
oder dessen Unterlassung beschwert zu sein“. Aus dem
Amtsdeutsch übersetzt, heißt dies Folgendes: Sie können
sich gegen Ihren Steuerbescheid dann wehren, wenn Sie meinen, dass
Sie weniger Steuern schulden, als der Staat haben will. Durch einen
Einspruch können Sie sogar Abzugsbeträge, die Sie in Ihrer
Steuererklärung vergessen haben, nachträglich geltend
machen. Das Einspruchsverfahren beim Finanzamt ist für Sie
kostenlos.
Das Finanzamt hat aus Ihrer Steuererklärung nicht alle geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen anerkannt.
Freibeträge wurden nicht berücksichtigt, weil die Voraussetzungen dafür angeblich nicht erfüllt sind.
Es wurden bestimmte Aufwendungen nicht anerkannt und Sie wissen nicht, warum, weil sich aus den Erläuterungen des Steuerbescheids dazu nichts ergibt.
Ihnen fällt erst jetzt auf, dass Sie bestimmte Aufwendungen in Ihrer Steuererklärung vergessen haben. Oder: Ein Beleg war verlegt und tauchte erst jetzt wieder auf.
Tipp
Achtung bei einem
Grundlagenbescheid, beispielsweise einem Grundsteuermessbescheid.
Wenn Sie ihn für falsch halten, müssen Sie sofort Einspruch
dagegen einlegen. Sie dürfen nicht warten, bis Ihnen die
Gemeinde den Grundsteuerbescheid schickt. Mit einem Rechtsbehelf
gegen den Grundsteuerbescheid können Sie einen bestandskräftigen
Grundsteuermessbescheid nicht mehr anfechten.
Hinweis
Mit einen
Einspruch können Sie sich auch gegen steuerliche Nebenleistungen
wehren; das sind
· Verspätungszuschläge (§ 152 AO)
· Zinsen (§§ 233-237 AO)
· Säumniszuschläge (§ 240 AO)
· Zwangsgelder (§ 329 AO)
· Kosten (§§ 178, 337-345 AO).
4. Für Ihren Einspruch
haben Sie einen Monat Zeit
Nach § 355 Abs. 1 AO müssen
Sie Ihren Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des
Bescheids einlegen. Aus § 108 AO i.V.m. §§ 187-193 BGB
ergibt sich, wie die Monatsfrist berechnet wird. Bei der Berechnung
des Fristbeginns wird der Tag, an dem Ihnen der Bescheid bekannt
gegeben wurde, nicht mitgerechnet.
Normalerweise verschickt das Finanzamt den Steuerbescheid als einfachen Brief mit der Post. Nach § 122 Abs. 2 AO gilt er mit dem dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt sogar dann, wenn Sie den Bescheid früher in Ihrem Briefkasten haben. Als Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum des Steuerbescheids anzusehen. Fällt der letzte Tag der Dreitagesfrist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, gilt der Steuerbescheid erst am darauffolgenden Werktag als bekannt gegeben (BFH, Urteil v. 14.10.2003 – IX R 68/98, BStBl II 2003, 898 = NJW 2004, 94).
Beispiel: Das Finanzamt gibt Ihren Steuerbescheid am 3. Juli zur Post. Er gilt mit dem 6. Juli als bekannt gegeben. Die Frist für Ihren Einspruch beginnt am 7. Juli.
Geht Ihnen der Bescheid allerdings später als drei Tage nach seiner Aufgabe zur Post zu, gilt das spätere Zugangsdatum (BFH, Urteil v. 9.11.2005 – I R 111/04, BStBl II 2006, 219 = NJW 2006, 1615). Wenn Sie aber geltend machen, der Steuerbescheid sei Ihnen verspätet zugegangen, müssen Sie auch näher darlegen, woran dies liegen könnte. Es müssen sich zumindest Zweifel am rechtzeitigen Zugang ergeben. Erst dann hat das Finanzamt die Rechtzeitigkeit des Zugangs zu beweisen (BFH, Beschluss v. 14.2.2012 – V S 1/12, BFH/NV 2012, 979; FG München, Urteil v. 26.3.2012 – 14 K 3357/09, juris). Wenn Ihnen der Steuerbescheid allerdings gar nicht zugegangen ist, beginnt keine Einspruchsfrist zu laufen. Für den Zugang des Schriftstücks ist das Finanzamt beweispflichtig (BFH, Urteil v. 14.3.2012 – XI R 6/10, BStBl II 2014, 607). In diesem Fall wird Ihnen das Finanzamt den Bescheid formell zustellen.
Wenn Ihnen der Bescheid formell mit Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, gilt er an dem Tag als bekannt gegeben, an dem Sie ihn tatsächlich erhalten haben.
Beispiel: Die formelle Zustellung war am 3. Juli. Das ist der Tag der Bekanntgabe. Die Einspruchsfrist beginnt am 4. Juli.
Sofern Sie Ihre Steuererklärung elektronisch abgegeben haben (ELSTER), bekommen Sie trotzdem einen schriftlichen Steuerbescheid; nur dieser ist für den Bekanntgabezeitpunkt maßgebend.
Die einmonatige Einspruchsfrist endet nach § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf desjenigen Tages, der mit seiner Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.
Beispiel: Als Tag der Bekanntgabe gilt der 3. Juli. Fristbeginn ist am 4. Juli. Die Einspruchsfrist endet am 3. August um 24.00 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt muss Ihr Einspruch beim Finanzamt eingegangen sein (BFH, Beschluss v. 21.9.2007 – IX B 79/07, BFH/NV 2008, 22).
Wenn die Monatsfrist an einem Samstag, einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag ablaufen würde, verlängert sie sich gemäß § 108 Abs. 3 AO bis zum Ablauf des nächsten Werktages.
Nichts geht mehr, wenn Sie die Monatsfrist für Ihren Einspruch verstreichen lassen. Es handelt sich nämlich um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. (BFH, Beschluss v. 24.9.1985 – III B 3/85, BFH/NV 1986, 190 und Beschluss v. 27.4.2011 – III B 207/10, BFH/NV 2011, 1184). Ihr Bescheid ist dann bestandskräftig und eine Änderung ausgeschlossen.
5. Letzter
Rettungsversuch: Beantragen Sie Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand
Wenn Sie die Einspruchsfrist unverschuldet versäumt
haben, können Sie beim Finanzamt nach § 110 AO einen Antrag
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen. Sie werden dann so
behandelt, als sei der Bescheid gerade erst ergangen. Achtung, Frist
beachten: Innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses (z.B.
Rückkehr aus dem Urlaub) müssen Sie Ihren
Wiedereinsetzungsantrag stellen und den versäumten Einspruch
nachholen.
Wenn die Einspruchsfrist länger als ein Jahr verstrichen ist, hilft Ihnen auch kein Wiedereinsetzungsantrag. Dann ist nach § 110 Abs. 3 AO keine Wiedereinsetzung und kein Einspruch mehr möglich.
In diesen Fällen bekommen Sie Wiedereinsetzung gewährt:
Nach einem Urlaub oder einer Geschäftsreise bis zu 6 Wochen, wenn nach Ihrer Rückkehr die Einspruchsfrist abgelaufen ist (BFH, Beschluss v. 21.1.1992 – VII B 234/91, BFH/NV 92, 578). Endet Ihre Reise vor Ablauf der Einspruchsfrist, müssen Sie sofort tätig werden. Wer sonst die Frist versäumt, ist selbst schuld (BFH, Urteil v. 5.11.1987 – IV R 354/84, BFH/NV 88, 614).
Bei plötzlicher schwerer Krankheit (z. B. einem Herzinfarkt) oder einem Unfall, wenn Sie deshalb keinen anderen mit dem Einspruch beauftragen können.
Bei verzögerter Briefzustellung durch die Post, weil diese Ihren Einspruch im „Schneckentempo“ und nicht innerhalb der normalen Postlaufzeit zugestellt hat (BFH, Urteil v. 4.6.1992 – IV R 123-124/91, BStBl II 1993, 125 und Beschluss v. 12.9.1996 – III B 70/96). Wenn Sie Ihren Brief falsch adressiert haben und er deshalb verspätet eingeht, sind Sie selbst schuld (BFH, Beschluss v. 9.1.1992 – IX R 23/90, BFH/NV 1993, 366).
Ihren Wiedereinsetzungsantrag können Sie formlos stellen. Bei einer längeren Erkrankung oder einer mehr als 6 Wochen dauernden Reise müssen Sie dafür sorgen, dass Fristen eingehalten werden. Das Finanzamt erwartet, dass Sie beispielsweise einen Bevollmächtigten bestellen, der Ihre Post öffnen darf und vorsorglich Einspruch gegen einen Steuerbescheid einlegt (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.6.2000 – 12 K 106/99, EFG 2000, 1363).
6. Für den Einspruch gilt
eine bestimmte Form
Nach § 357 Abs. 1 AO müssen Sie
Ihren Einspruch schriftlich einreichen. Möglich ist auch
Einspruch per Telefax (AEAO zu § 357 Nr. 1; BFH, Beschluss v.
26.3.1991 – VIII B 83/90, BStBl II 1991, 463). Oder Sie gehen
zu Ihrem Finanzbeamten und bringen Ihre Einwände persönlich
vor. Darüber muss er ein Protokoll fertigen (BFH, Beschluss v.
6.10.1993 – X B 85-86/93). Ein telefonischer Einspruch wird
leider nicht anerkannt.
Neu:
Einspruchseinlegung
durch E-Mail
Nach
§ 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Einspruch zwar schriftlich
einzureichen. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift genügt
es aber, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch
eingelegt hat. Eine Unterschrift ist somit kein zwingendes
Formerfordernis. § 87a Abs. 1 Satz 1 AO erlaubt die Übermittlung
elektronischer Dokumente, soweit der Empfänger
hierfür einen Zugang
eröffnet. Finanzämter, die eine E-Mail-Adresse angeben,
erklären damit ihre Bereitschaft, elektronische Dokumente
entgegen zu nehmen. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu
§ 357 Nr. 1 bestimmt, dass ein unter der Voraussetzung der
Zugangseröffnung elektronisch eingelegter Einspruch nicht mit
einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz
versehen sein muss. Denn die qualifizierte elektronische Signatur
soll eine Unterschrift ersetzen, die aber im Falle eines Einspruchs
nicht erforderlich ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, die Einlegung
eines Einspruchs mittels einfacher E-Mail als formgerecht anzusehen.
Für Ihren Einspruch brauchen Sie weder einen Rechtsanwalt noch einen Steuerberater. In sehr einfachen Fällen, beispielsweise bei der Anerkennung von Werbungskosten, können Sie sich die Kosten für einen Berater sparen. Wichtig, wenn Ihr Steuerberater für Sie erfolgreich Einspruch eingelegt hat: Das Finanzamt muss Ihnen im Einspruchsverfahren Ihre Steuerberaterkosten nicht ersetzen (BFH, Beschluss v. 23.7.1996 – VII B 42/96, BStBl II 1996, 501).
Praxis-Musterformulierung: Einspruch
Absender: Alfred und
Adele Muster, Musterstraße 10, Musterstadt
Datum
An das
Finanzamt
Musterhausen
Einkommensteuerbescheid 20xx vom ............
Steuer-Nummer...................
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen den obengenannten Einkommensteuerbescheid erheben wir hiermit
Einspruch.
Begründung:
(hier führen Sie Ihre Einspruchsgründe auf)
.......................
Unter Hinweis auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen............beantragen wir gemäß § 363 AO
Ruhen des Verfahren,
bis die Entscheidung des BFH vorliegt.
Gleichzeitig beantragen wir
Aussetzung der Vollziehung
nach § 361 AO wegen ernstlicher Zweifel an Ihrer Steuerfestsetzung. Bitte verzichten Sie auf eine Sicherheitsleistung.
Mit freundlichen
Grüßen
Unterschriften
7. Praxis-Checkliste: Worauf Sie achten müssen
Vergessen Sie in Ihrem Brief nicht Ihren Absender. Sonst weiß das Finanzamt nicht, wer Einspruch einlegt. Eine Unterschrift ist nicht unbedingt erforderlich; Ihr Einspruch gilt trotzdem.
Bringen Sie deutlich zum Ausdruck, dass Sie mit dem Steuerbescheid nicht einverstanden sind. Sie müssen dabei das Wort „Einspruch“ nicht ausdrücklich verwenden. Genau so können Sie beispielsweise „Widerspruch“ oder „Einwand“ schreiben.
Geben Sie an, gegen welchen Steuerbescheid Sie vorgehen. Nennen Sie das Datum und das Aktenzeichen des Bescheids.
Senden Sie den Einspruch an die richtige Behörde. Das ist das Finanzamt, das Ihnen den Steuerbescheid geschickt hat. Die genaue Anschrift steht im Bescheid.
Begründen Sie Ihren Einspruch. Hieb- und stichfeste Argumente werden das Finanzamt überzeugen. Legen Sie Beweismittel vor, beispielsweise eine Rechnung oder einen Vertrag. Verweisen Sie auf Urteile, Richtlinien oder Rundschreiben der Finanzverwaltung.
Nach § 357 Abs. 3 Satz 3 AO müssen Sie Ihren Einspruch nicht ausdrücklich begründen. Trotzdem ist das ratsam. Wie soll der Beamte sonst erkennen, weshalb Sie sich gegen den Bescheid wehren? Ohne Begründung erreichen Sie allenfalls, dass die Sache nach Aktenlage überprüft wird. Besser: Legen Sie Ihre Trümpfe offen auf den Tisch. Wenn Sie innerhalb der Einspruchsfrist keine Zeit haben, um den Steuerbescheid gründlich zu prüfen, sollten Sie zur Fristwahrung vorsichtshalber Einspruch ohne Begründung einlegen. Schreiben Sie einfach „Begründung folgt“. Das ist zulässig (BFH, Urteil v. 27.11.1985 – II R 90/83, BStBl II 1986, 243).
Praxistipp:
Machen
Sie aber nicht den Fehler, die festgesetzte Steuer lediglich unter
„Vorbehalt der Nachprüfung“ zu zahlen. Diese
Vorbehaltserklärung hat keinerlei Rechtswirkung. Nur wenn Sie
gegen den Steuerbescheid ausdrücklich Einspruch einlegen,
verhindern Sie, dass er bestandskräftig wird. Weitere Infos zur
rechtlichen Bedeutung der Zahlung unter Vorbehalt lesen Sie hier.
8. Steigen
Sie bei anderen aufs Trittbrett
Ist
wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen
einer Rechtsfrage ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof,
dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht
anhängig, können Sie sich in Ihrem Einspruch darauf
berufen. Nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruht Ihr Verfahren
einstweilen. Eine positive Entscheidung des Gerichts gilt dann auch
für Ihren Fall.
9. Mit einem Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung bleibt Ihr Geld bei Ihnen
Wenn
sich aus dem Steuerbescheid eine Nachzahlung ergibt, müssen
Sie den Betrag trotz Ihres Einspruchs zum Fälligkeitszeitpunkt
zahlen. Einen Zahlungsaufschub können Sie nur erreichen, wenn
Sie nach § 361 Abs. 2 AO zusammen mit Ihrem Einspruch einen
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen.
Wenn Sie eine fällige Steuerschuld nicht fristgerecht zahlen, wird das Finanzamt von Ihnen Säumniszuschläge verlangen. Nach § 240 AO sind dies immerhin 1 % der Steuerschuld, und das pro Monat.
10.
Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung
Das
Finanzamt muss Ihrem Aussetzungsantrag nach § 361 Abs. 2 AO
entsprechen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Steuerbescheids bestehen (BFH, Beschluss v. 3.7.1995 – GrS
3/93, BStBl II 1995, 730). Über Ihren Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung hat das Finanzamt unverzüglich zu entscheiden (AEAO
zu § 361 Nr. 3.1).
Praxis-Übersicht: Das sind ernstliche Zweifel
Der BFH hat die streitige Rechtsfrage noch nicht entschieden und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte oder im Schrifttum bestehen unterschiedliche Auffassungen.
Die Senate des BFH haben unterschiedlich oder widersprüchlich entschieden (BFH, Beschluss v. 21.11.1974 – IV B 39/74, BStBl II 1975, 175).
Die höchstrichterlich nicht geklärte Rechtslage ist unklar, weil die Finanzverwaltung sie nicht einheitlich entschieden hat und im Schrifttum Bedenken gegen die Praxis der Finanzämter erhoben werden (BFH, Beschluss v. 19.8.1987 – V B 56/85, BStBl II 1987, 830).
Das Finanzamt hat die BFH-Rechtsprechung nicht beachtet.
Das Finanzamt hat zu Ihren Ungunsten gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen.
Das Finanzamt hat den Sachverhalt nur mangelhaft dargestellt (BFH, Beschluss v. 14.2.1984 – VIII B 112/83, BStBl II 1984, 443).
Das Finanzamt ging von einem unzutreffenden Sachverhalt aus und Sie bringen neue Tatsachen vor.
Sie können auch Aussetzung beantragen, wenn die sofortige Zahlung für Sie eine unbillige Härte bedeutet oder wenn Ihnen dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die nur schwer gutzumachen sind (BFH, Beschluss v. 31.8.1987 – V B 57/86, BFH/NV 1988, 174 und Beschluss v. 21.2.1990 – II B 98/89, BStBl II 1990, 510).
11. Aussetzungszinsen
drohen
Wenn die Vollziehung Ihres Steuerbescheids ausgesetzt
war, Sie im Einspruchsverfahren aber verlieren, müssen Sie
Aussetzungszinsen an das Finanzamt zahlen. Für jeden
angefangenen Monat der Aussetzung werden 0,5 % der Steuerschuld
fällig (§ 237 AO; BFH, Urteil v. 18.7.1994 – X R
33/91, BStBl II 1995, 4).
12. Achtung: Vermeiden
Sie die „Verböserung“
Im Falle eines
Einspruchs muss das Finanzamt nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO die
ganze Steuerveranlagung neu aufrollen. Es kann Ihnen passieren, dass
der Finanzbeamte feststellt, dass Ihnen beispielsweise eine
Vergünstigung zu Unrecht gewährt wurde. Folge: Sie müssten
mehr Steuern zahlen als bereits festgesetzt. Eine solche
„Verböserung“ ist nur möglich, wenn Sie das
Finanzamt vorher entsprechend § 367 Abs. 2 Satz 2 AO informiert
hat. Sie können die
„Verböserung“ abwenden. Nehmen Sie in diesem Fall
Ihren Einspruch zurück. Dann bleibt es beim ursprünglichen
Steuerbescheid (BFH, Urteil v. 10.11.1989 – VI R 124/88, BStBl
II 1990, 414).
13. Aufgepasst, wenn
Ihnen das Finanzamt eine Frist setzt
Das Finanzamt kann Ihnen
nach § 364b AO eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer
Sie beispielsweise weitere Unterlagen vorlegen müssen. Vier
Wochen sind ausreichend. Die Frist ist eine Ausschlussfrist. Reicht
Ihnen die vorgegebene Zeit nicht aus, müssen Sie unbedingt vor
Ablauf der Frist eine Fristverlängerung beantragen. Nach §
364b Abs. 2 Satz 1 AO darf das Finanzamt verspätet vorgebrachte
Erklärungen oder Beweismittel in der Einspruchsentscheidung
nicht mehr zu Ihren Gunsten berücksichtigen.
14. Streben Sie möglichst
eine einvernehmliche Lösung an
Wenn Ihnen das Finanzamt
zu erkennen gibt, dass es Ihre Einspruchsgründe nicht
akzeptieren will, können Sie nach § 364a Abs. 1 Satz 1 AO
eine Erörterung der Sach- und Rechtslage beantragen. Ziel dieser
Besprechung: Eine einvernehmliche Erledigung des
Einspruchsverfahrens.
15. Abschluss des
außergerichtlichen Einspruchsverfahrens
Hat das
Finanzamt Ihre Einspruchsgründe anerkannt? Dann ergeht ein
berichtigter Steuerbescheid. Wenn die Beamten Ihren Einspruch für
unbegründet halten, wird man Sie wahrscheinlich zur Rücknahme
des Einspruchs auffordern. Ziehen Sie Ihren Einspruch daraufhin
zurück, ist die Sache erledigt. Wird Ihr Einspruch
zurückgewiesen, schickt Ihnen das Finanzamt eine förmliche
Einspruchsentscheidung. Für das Einspruchsverfahren müssen
Sie nichts zahlen. Allerdings: War ein Steuerberater oder
Rechtsanwalt für Sie tätig, bleibt dessen Honorar an Ihnen
hängen. Auch wenn Sie gewonnen haben. Einziger Trost: Sie können
die Kosten für Ihren Berater bei der nächsten
Steuererklärung als Sonderausgaben geltend machen.
16. Einspruch
zurückgewiesen? Jetzt können Sie klagen
Gegen die
Ablehnung Ihres Einspruchs können Sie Klage beim Finanzgericht
erheben. Innerhalb eines Monats nach Zustellung der
Einspruchsentscheidung müssen Sie Ihre Klage einreichen. Dafür
benötigen Sie keinen Rechtsvertreter. Erst beim BFH ist ein
Anwalt oder Steuerberater vorgeschrieben.
© IKV Erwin Ruff September 2017