Erschließungsbeiträge für neue Baugebiete



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16. Erschließungsvertrag

16.1 Die Gemeinde wird finanziell entlastet

In Zeiten leerer Kassen haben immer mehr Gemeinden Probleme, die Erschließung von Baugelände - eine dringende Aufgabe - selbst durchzuführen und zu finanzieren. Deshalb sollte verstärkt dazu übergegangen werden, die Erschließung durch Erschließungsvertrag auf einen Dritten zu übertragen. Erschließungsverträge haben sich in der Vergangenheit bestens bewährt. Während die Gemeinden bisher dem Erschließungsträger 10 Prozent seines Aufwands erstatten mussten, ist diese Kostenbeteiligung nach einer Änderung des Baugesetzbuches entfallen. Gerade in Zeiten angespannter Haushalte und leerer Kassen kann es ein erheblicher Vorteil sein, wenn die Kosten von Erschließungsmaßnahmen nicht finanziert werden müssen. Allerdings sollten die Gemeinden darauf achten, dass sie einen Erschließungsvertrag nur mit einem solchen Unternehmen abschließen, das von seiner Struktur und seiner finanziellen Leistungskraft her gewährleistet, dass die Erschließung ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt wird.

16.2 Der Erschließungsträger baut anstelle der Gemeinde

Durch den Erschließungsvertrag verpflichtet sich der Erschließungsträger, die Erschließung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchzuführen. Er übernimmt dadurch die Verantwortung für den reibungslosen technischen und finanziellen Ablauf. Die Gemeinde beschränkt sich darauf, die ordnungsgemäße Abwicklung der Erschließung zu überwachen. Kommt der Erschließungsträger seinen Verpflichtungen nicht nach, fällt die Erschließungsaufgabe an die Gemeinde zurück. Dies kann z. B. dann eintreten, wenn der Erschließungsträger den Erschließungsvertrag nicht oder nicht vollständig erfüllt und die Gemeinde die Erschließungsarbeiten beenden muss.

Gem. § 124 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann im Erschließungsvertrag geregelt werden, dass der Erschließungsträger alle nach Bundes- und Landesrecht beitragsfähigen und nicht beitragsfähigen Erschließungsanlagen herstellt. Dazu gehören außer Straßen auch alle Ver- und Entsorgungseinrichtungen des Baugebiets, wie Abwasserkanäle und Wasserleitungen, ebenso Parkflächen für Kraftfahrzeuge und Kinderspielplätze.

Unter "Erschließung" versteht man die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen. Sofern in diesem Zusammenhang vorhandene Erschließungsanlagen geändert oder erweitert werden müssen, können auch solche Maßnahmen auf den Erschließungsträger übertragen werden. Auch beim Erschließungsvertrag können die Erschließungsanlagen nur aufgrund eines rechtskräftigen Bebauungsplans hergestellt werden. Es wird empfohlen, den Erschließungsvertrag nach Möglichkeit erst dann abzuschließen, wenn der Bebauungsplan rechtskräftig geworden ist.

16.3 Kostentragung

Noch bis Anfang 1993 musste die Gemeinde im Rahmen eines Erschließungsvertrags mindestens 10 % der Kosten übernehmen. Nachdem am 1.5.1993 § 124 Abs. 2 BauGB geändert wurde, ist es nun zulässig, dem Erschließungsträger alle Kosten, auch die von nicht beitragsfähigen Anlagen, ganz aufzulasten. Eine gesetzliche Mindestbeteiligung der Gemeinde wird nicht mehr gefordert, wenngleich sie weiterhin zulässig ist. Wie die Praxis zeigt, wird heute die Eigenbeteiligung der Gemeinde kaum mehr vereinbart. In Anbetracht des großen wirtschaftlichen Vorteils, den der Erschließungsträger durch die Bebaubarkeit seiner Grundstücke hat, dürfte es kaum vertretbar sein, ihm einen Kostenzuschuss zur Erschließung zu geben.

Der Erschließungsvertrag regelt abschließend, wer die Kosten von Erschließungsmaßnahmen zu tragen hat. Weil bei der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i. S. von § 127 Abs. 1 BauGB anfällt, erfolgt keine Beitragsveranlagung. Wie der Erschließungsträger seine Kosten weitergibt, bleibt seiner Disposition überlassen. Üblicherweise wird er sie auf die Grundstückserwerber über den privatrechtlichen Kaufvertrag abwälzen.

16.4 Angemessenheit der vertraglichen Leistungen

Die vertraglich vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen. Diese Bestimmung in § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB soll verhindern, dass der Erschließungsträger auch sonstige Kosten oder Verpflichtungen übernehmen muss, die mit der Erschließung nichts zu tun haben. Er soll vor einer "Drohung" der Gemeinde geschützt werden, dass ansonsten die Erschließung und Bebauung seiner Grundstücke nicht ermöglicht wird. Der Kostenabwälzung sind damit gewisse Schranken gesetzt. Stehen die vertraglichen Leistungen nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erschließung und sind sie nicht angemessen, verstößt der Erschließungsvertrag gegen § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB und ist nichtig. Der Erschließungsträger kann dann seine Aufwendungen zurückverlangen.

Unzulässig ist auch eine Vereinbarung, wonach der Erschließungsträger Anlagen errichten soll, die nicht dem Erschließungsgebiet dienen, sondern ausschließlich anderen Gebieten zugute kommen.

In der Regel stellt der Erschließungsträger neben den Anbaustraßen auch Wasserleitungen und Abwasserkanäle auf seine Kosten her. Daraus ergibt sich ein besonderes Rechtsproblem. Obwohl er die vollen Kosten übernimmt, entsteht zusätzlich die Beitragspflicht für Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträge entsprechend dem Kommunalabgabengesetz i. V. mit den örtlichen Abgabensatzungen. Das käme einer unangemessenen Doppelbelastung der erschlossenen Grundstücke gleich. Einerseits würden sie mit den tatsächlichen Herstellungskosten der Ver- und Entsorgungsleitungen belastet, andererseits käme es über die Wasserversorgungs- und Kanalbeitrag, die nach den Kosten des gemeindlichen Leitungsnetzes kalkuliert sind, zu einer nochmalige Kostenumlage. Um diese Doppelbelastung zu vermeiden, kann im Vertrag vorgesehen werden, dass dem Erschließungsträger im Falle seiner Beitragsveranlagung die ihm entstandenen Aufwendungen für Kanäle und Wasserleitungen insoweit erstattet werden oder dass die Beiträge durch die tatsächliche Kostenübernahme als abgelöst gelten. Dies gilt allerdings nicht für die Klärbeiträge, die ungeachtet des Erschließungsvertrags dann fällig werden, wenn die Grundstücke an die Kläranlage angeschlossen werden können.

16.5 Inhalt des Erschließungsvertrags

Zur Übertragung der Erschließungstätigkeit auf einen Erschließungsträger wird ein schriftlicher Vertrag (städtebaulicher Vertrag/Erschließungsvertrag) abgeschlossen. Es wird empfohlen, dazu den Mustervertrag der kommunalen Spitzenverbände zu verwenden und nach Möglichkeit nur wenig davon abzuweichen, abgesehen von lokalen Besonderheiten. Ob überhaupt und mit welchem Inhalt ein derartiger Vertrag geschlossen wird, entscheidet in jeder Gemeinde der Gemeinderat bzw. in großen Kommunen auch ein dafür kraft Hauptsatzung zuständiger Ausschuss. Rechtsgrundlage hierfür ist die jeweilige Gemeindeordnung jedes Bundeslandes, z.B. § 24 Abs. 1 GemO BW; § 22 Abs. 2 KV M-V; § 22 ThürKO. Dem Rat kommt als Vertretung der Bürger die Entscheidung in allen Angelegenheiten der Gemeinde zu, soweit nicht gesetzlich ausdrücklich die Zuständigkeit des Bürgermeisters begründet ist. Weil der Abschluss eines Erschließungsvertrags kein Geschäft der laufenden Verwaltung ist, muss auf jeden Fall der Gemeinderat darüber beschließen. Zu den Geschäften der laufenden Verwaltung gehören alle Angelegenheiten, die für die Gemeinde weder aus wirtschaftlicher noch aus grundsätzlicher Sicht von wesentlicher Bedeutung sind und zu den regelmäßig anfallenden Aufgaben der Gemeinde gehören (SächsOVG v. 22.8.2001 – 5 B 522/00, DWW 2002, 131; NdsOVG v. 31.1.2013 – 7 LA 160/11, DVBl 2013, 454). Ein Erschließungsvertrag gehört nicht den Geschäften der laufenden Verwaltung, unabhängig von der Gemeindegröße (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 6 Rn. 26). Nach dem einschlägigen Landesrecht (Gemeindeordnung) richtet sich, wer seitens der Gemeinde den Vertrag unterzeichnet – das ist Aufgabe des Bürgermeisters als Hauptverwaltungsbeamter der Gemeinde. Eine Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde ist nicht erforderlich.

Im Vertrag muss mindestens folgendes geregelt werden:

- Gegenstand des Vertrags und Beschreibung des Erschließungsgebiets. Die genaue Abgrenzung wird am besten in einem Lageplan als Beilage festgehalten.

- Umfang der Erschließungsmaßnahmen. Hier werden alle Anlagen und Einrichtungen aufgezählt, die innerhalb des Erschließungsgebiets herzustellen sind. Dies gilt genauso für eventuelle Anlagen außerhalb des Erschließungsgebiets zur Anbindung der neuen Anlagen. Wegen der technischen Einzelheiten kann auf Pläne, Beschreibungen oder Ausführungsvorgaben verwiesen werden. Zur Klarstellung empfiehlt es sich außerdem, solche Anlagen aufzuführen, die durch andere Einrichtungsträger (z. B. Telekom, Energieversorger) hergestellt werden.

- Genaue Regelungen zur Durchführung, z. B. Beauftragung von Planungsbüros, Vergabemodalitäten, Bauzeitenplan, Bauleitung, Überwachung der Arbeiten.

- Abnahme und Übernahme der Erschließungsanlagen und der Grundflächen durch die Gemeinde.

- Unterhaltungslast, Verkehrssicherungspflicht und Gefahrtragung eines zufälligen Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung bis zur endgültigen Übergabe an die Gemeinde. Die Verkehrssicherungspflicht obliegt dem Erschließungsträger.

- Gewährleistungsverpflichtung des Erschließungsträgers für eine mängelfreie Herstellung nach den vertraglich zugesicherten Eigenschaften und den anerkannten Regeln der Technik. Vereinbarung der Gewährleistungsfrist.

- Bei teilweiser Kostentragung durch die Gemeinde muss vereinbart werden, wie der Erschließungsaufwand ermittelt und nach welchen Anteilen er auf die Vertragspartner aufgeteilt wird.

- Sicherheitsleistung des Erschließungsträgers in Form einer Vertragserfüllungsbürgschaft und einer Gewährleistungsbürgschaft.

- Bestimmungen bezüglich der Kündigung des Vertrags und Übereinkünfte bei möglichen Leistungsstörungen.

16.6 Fremdanliegergrundstücke

Es gibt Baugebiete, in denen nicht alle Grundstücke dem Erschließungsträger gehören. Wie wirkt es sich aus, wenn solche Grundstücke durch Erschließungsanlagen erschlossen werden, die der Erschließungsträger hergestellt hat? Der Erschließungsträger selbst kann von den sogenannten Fremdanliegern keinen Ersatz seines Erschließungsaufwands verlangen. Er kann allenfalls versuchen, die Fremdanlieger durch eine privatrechtliche Vereinbarungen am Erschließungsaufwand zu beteiligen. Kommt eine solche Abmachung nicht zustande, hat er auch gegenüber der Gemeinde keinen Anspruch auf Ersatz der auf die Fremdanliegergrundstücke entfallenden Erschließungsaufwendungen.

Andererseits kann die Gemeinde die Fremdanlieger nicht zu Erschließungsbeiträgen veranlagen, weil ihr kein umlagefähiger Erschließungsaufwand entstanden ist.

Befinden sich in einem Erschließungsgebiet mehrere Fremdanliegergrundstücke, so dass es unangemessen wäre, dass der Erschließungsträger die vollen Kosten der Erschließung trägt, bietet sich eine andere Lösung an. Anstelle eines "echten" Erschließungsvertrags, wie oben beschrieben, kann ein sog. Vorfinanzierungsvertrag geschlossen werden. Auch hierbei übernimmt der Erschließungsträger die Herstellung der Erschließungsanlagen. Er trägt den entstandenen Aufwand nicht endgültig selbst, sondern bekommt das vorgestreckte Geld von der Gemeinde zurück, und die Gemeinde finanziert die Erschließung durch Erschließungsbeiträge nach Maßgabe der §§ 127 ff. BauGB. Die Grundstücke des Erschließungsträgers bleiben von dieser Veranlagung ausgenommen, denn der auf diese Flächen entfallende Teil des Erschließungsaufwands wird vorab bei der Erstattung der angefallenen Kosten durch die Gemeinde verrechnet. Grundlage dafür ist eine entsprechende Ablösungsvereinbarung. Nur mit einer solchen Vertragsgestaltung könnte sichergestellt werden, dass der Gemeinde Aufwendungen entstehen, die sie, da die Beiträge für die Grundstücke des Erschließungsträgers abgegolten sind, allein auf die Grundstücke der Fremdanlieger umzulegen hat.

16.7 Leistungsstörungen

Von Leistungsstörungen spricht man, wenn der Erschließungsvertrag nicht so abgewickelt wird, wie es die Vertragspartner vereinbart haben. Nur ganz selten ist der Grund dafür bei der Gemeinde zu suchen. Auch wenn die meisten Erschließungsverträge ohne größere Probleme vollzogen werden, kann es vereinzelt vorkommen, dass ein Erschließungsträger seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Denkbar sind folgenden Arten von Leistungsstörung: Hier weiterlesen...



Lesen Sie zum Erschließungsbeitrag auch das weitere Kapitel:

Das Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid. Hier geht’s weiter...




© IKV Erwin Ruff 2017


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