Erschließungsbeiträge für neue Bauplätze
Die Gemeinden müssen die Erschließungskosten auf die Anlieger abwälzen |
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1. Einleitung
Bei der Erschließung eines neuen Baugebiets treffen die Gemeinden wichtige Entscheidungen, die sich im Ergebnis sehr unterschiedlich auswirken können. Will die Gemeinde die Erschließung selbst durchführen oder soll man einen Erschließungsträger einschalten? Wie soll das Straßennetz aussehen? Wo sind Grünanlagen und Kinderspielplätze notwendig? Wenn man verkehrsberuhigt erschließt, wo werden dann die Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge geschaffen? Wie sind Eingriffe in Natur und Landschaft auszugleichen? Letztlich mündet alles in die Frage: Wie hoch sind die Kosten und welchen Betrag zahlt jeder Grundstückseigentümer für die Erschließung seines Grundstücks?
2. Verschiedene Beitragsarten müssen unterschieden werden
Selbst Fachleute bringen mitunter Begriffe wie Erschließungsbeitrag - Anliegerleistungen - Anschlussbeitrag oder Straßenausbaubeitrag durcheinander. Was sind die Unterschiede? Wer muss solche Beiträge zahlen? Was sind die Rechtsgrundlagen? Wie berechnet man die Beiträge?
Man unterscheidet folgende Beitragsarten:
Erschließungsbeitrag
Die gesetzliche Grundlage für den Erschließungsbeitrag ist das Baugesetzbuch (BauGB), in Bayern seit 1997 und in Baden-Württemberg seit 1.10.2005 das Kommunalabgabengesetz (KAG). Für die erstmalige Herstellung der in § 127 Abs. 2 BauGB genannten Erschließungsanlagen wird ein Erschließungsbeitrag erhoben. Spätere Änderungen oder Erweiterungen der Erschließungsanlagen lösen keine neue Beitragspflicht nach dem BauGB aus. Auch Unterhaltungsmaßnahmen sind nicht erschließungsbeitragspflichtig.
Anliegerleistungen
Unter Anliegerleistungen versteht man alle Beiträge, die ein Grundstückseigentümer für leitungsgebundene (z.B. Kanal) und nichtleitungsgebundene (Straße) öffentliche Anlagen und Einrichtungen bezahlen muss. Dazu zählt man den Erschließungsbeitrag, den Abwasserbeitrag und den Wasserversorgungsbeitrag.
Anschlussbeitrag (KAG-Beitrag)
Nach Maßgabe der Kommunalabgabengesetze der Länder in Verbindung mit den örtlichen Abgabensatzungen können die Gemeinden Anschlussbeiträge erheben. Voraussetzung dafür ist, dass das Grundstück an eine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung (Kanal, Kläranlage, Wasserleitung) angeschlossen werden kann. Der Begriff KAG-Beitrag bezeichnet das gleiche wie Anschlussbeitrag.
Entsprechend den Kommunalabgabengesetzen können die Gemeinden in einigen Bundesländern für die Erweiterung, Erneuerung und die Verbesserung von Verkehrsanlagen und zum Teil auch für die Herstellung von Wirtschaftswegen, Spielplätzen und Grünanlagen einen Straßenausbaubeitrag erheben.
Nachfolgend wird nur noch auf den Erschließungsbeitrag eingegangen.
3. Rechtsgrundlagen
3.1 Baugesetzbuch
Das Erschließungsbeitragsrecht ist in 14 von 16 Bundesländern (noch) Bundesrecht. Es geht zurück auf das frühere Bundesbaugesetz (BBauG) aus dem Jahr 1961, das 1987 in Baugesetzbuch (BauGB) umbenannt wurde. Inzwischen wurde durch eine Änderung des Grundgesetzes das Erschließungsbeitragsrecht vom Bund auf die Länder übertragen. Bisher haben nur Baden-Württemberg und Bayern das Erschließungsbeitragsrecht in Landesrecht überführt. In den anderen Bundesländern gilt weiterhin das BauGB als Bundesrecht weiter. In Berlin wurde das Erschließungsbeitragsrecht nicht in Landesrecht überführt, denn das Berliner Erschließungsbeitragsgesetz hat die bundesrechtlichen Bestimmungen der §§ 127-135 BauGB nicht ersetzt, sondern nur ergänzt (BVerwG, Beschluss vom 23.10.2017 – 9 B 61.16, juris).
3.2 Erschließungsbeitragssatzung
Inhalt
Gem. § 132 BauGB ist jede Gemeinde verpflichtet, eine Erschließungsbeitragssatzung zu erlassen (In den Stadtstaaten ein entsprechendes Gesetz). Die Satzung regelt
– für welche Arten von Erschließungsanlagen Beiträge erhoben werden,
– welchen Umfang die abzurechnenden Erschließungsanlagen maximal haben,
– nach welchen Grundsätzen der beitragsfähige Aufwand ermittelt wird,
– wie der Aufwand auf die erschlossenen Grundstücke verteilt wird,
– ob Teile der Erschließungsanlagen separat abgerechnet werden,
– wann eine Erschließungsanlage endgültig hergestellt ist,
– welchen Anteil des Erschließungsaufwands die Gemeinde trägt,
– ob der Erschließungsbeitrag vor seiner Entstehung abgelöst werden kann.
Welche Satzung ist maßgebend?
Für die Veranlagung der Erschließungsbeiträge ist grundsätzlich diejenige Erschließungsbeitragssatzung maßgebend, die im Zeitpunkt gilt, in dem die sachliche Beitragspflicht entsteht. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil fast jede Gemeinde im Laufe der Jahre die Satzung immer wieder geändert oder neu gefasst hat. Wenn zu Beginn der Erschließungsmaßnahmen noch eine andere Satzung gegolten hat, und diese im Laufe der Erschließung geändert wurde, kann sich die rechtmäßige Veranlagung der Beiträge nur nach der neuen Satzung richten.
4. Erschließung
4.1 Begriff
Mit der Aufstellung des Bebauungsplans und der Umlegung des Baugebiets in zweckmäßig geformte Baugrundstücke sind die ersten Voraussetzungen für neues Baugelände geschaffen worden. Dann erfolgt die eigentliche Erschließung. Das sind alle außerhalb der Baugrundstücke durchzuführenden Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Grundstücke „baureif" zu machen. Dazu gehört nicht nur die Herstellung der öffentlichen Straßen, sondern auch die Versorgung der Grundstücke mit Wasser, Strom, Gas oder Fernwärme und die Abwasserbeseitigung.
4.2 Die Erschließungslast
Die Erschließung ist nach § 123 Abs. 1 BauGB Aufgabe der Gemeinde. Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht jedoch nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 123 Abs. 3 BauGB nicht. Selbst aufgrund eines rechtskräftigen Bebauungsplans und einer abgeschlossenen Baulandumlegung hat ein Grundstückseigentümer keinen Anspruch auf Erschließung. Gem. § 123 Abs. 3 BauGB sollen die Erschließungsanlagen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs hergestellt werden. Die Anlagen müssen so beschaffen sein, dass sie den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs genügen. Kosten für unverhältnismäßig übergroße oder unnötige Erschließungsanlagen können nicht im Wege des Erschließungsbeitrags auf die Anlieger abgewälzt werden.
In § 123 Abs. 2 BauGB heißt es, dass die Erschließungsanlagen spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein sollen. Dies bedeutet nun nicht, dass alle Teile der Erschließungsanlage fertiggestellt sein müssen, ehe mit der Bebauung der Grundstücke begonnen wird. Benutzbar bedeutet vielmehr, dass z.B. die Erschließungsstraßen so ausgebaut sind, um darauf ein verkehrssicheres und gefahrloses Erreichen von Grundstücken zu ermöglichen. Ein stufenweiser Ausbau der Erschließungsanlagen ist also zulässig. Üblicherweise bauen die Gemeinden zunächst die Straßen als sog. Baustraßen ohne den Schlussbelag aus. Auch die Gehwege werden meist nicht sofort oder nicht vollständig hergestellt. Erst wenn ein Großteil der Grundstücke bebaut ist, erfolgt der Endausbau. Dadurch soll verhindert werden, dass eine endgültig hergestellte Straße durch Baufahrzeuge beschädigt wird oder die Straße durch viele Aufgrabungen hinterher eher einem Flickenteppich als einer neuen Fahrbahn ähnelt.
5. Bindung an den Bebauungsplan
Ohne einen rechtsgültigen Bebauungsplan können Erschließungsanlagen nicht rechtmäßig hergestellt werden, was zur Folge hat, dass dann auch keine Erschließungsbeiträge erhoben werden können. In einem Bebauungsplan wird neben den baurechtlichen Festsetzungen auch der Verlauf und das Ausmaß von Erschließungsanlagen festgesetzt.
Grundsätzlich müssen alle Erschließungsanlagen nach den Festsetzungen des rechtskräftigen Bebauungsplans hergestellt werden. Davon gibt es zwei Ausnahmen, die sich aus § 125 Abs. 3 BauGB ergeben. Zum einen ist dies die Planunterschreitung, bei der die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans zurückbleiben. Ein solcher reduzierter Ausbauumfang kann z.B. vorliegen, wenn eine Straße schmäler ausgebaut wird, als eigentlich geplant. Der andere Fall ist die Planüberschreitung. Hierbei wird eine Erschließungsanlage insgesamt größer gebaut, als es der Bebauungsplan vorsieht. Wird eine Erschließungsanlage gebaut, die so nicht im Plan enthalten war, z.B. ein Radweg anstelle eines Gehwegs, spricht man von einer planwidersprechenden Herstellung. Solche Abweichungen vom Bebauungsplan sind dann zulässig, wenn die Grundstückseigentümer nicht mehr als bei einer planmäßigen Herstellung belastet werden und die Abweichung die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigt. Sowohl die planüberschreitende als auch die planwidersprechende Herstellung kann durch die Änderung des Bebauungsplans nachträglich geheilt werden. Dies führt dazu, dass alle entstandenen Kosten in die Beitragsberechnung eingehen.
6. Die beitragsfähigen Erschließungsanlagen
6.1 Unterschied: Erschließungsanlagen - beitragsfähige Erschließungsanlagen
Im BauGB wird zwischen Erschließungsanlagen und beitragsfähigen Erschließungsanlagen unterschieden. Erschließungsanlagen sind alle baulichen Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Grundstücke baulich oder gewerblich nutzen zu können, also alle Anlagen zur Ver- und Entsorgung. Allerdings sind nicht alle Erschließungsanlagen zugleich auch beitragsfähige Erschließungsanlagen. Dies ist im Hinblick auf den Erschließungsbeitrag besonders wichtig. Was zu den beitragsfähigen Erschließungsanlagen zählt, ergibt sich aus § 127 Abs. 2 BauGB. Dieser Katalog ist abschließend. Alle Erschließungsanlagen, die dort nicht aufgeführt sind, dürfen in die Abrechnung des Erschließungsbeitrags nicht einbezogen werden.
6.2 Öffentliche Anbaustraßen
Selbstständige Straßen
Die selbstständigen Anbaustraßen haben für das Beitragsrecht die größte Bedeutung. Was als selbstständige Straße gilt, ist nach dem äußeren Erscheinungsbild (Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung) bestimmbar. Der Begriff der selbstständigen Straße ist deshalb so wichtig, weil nur solche Straßen separat abgerechnet werden können. Alle unselbstständigen Straßenteile dürfen nicht getrennt, sondern nur gemeinsam mit dem Straßenhauptteil abgerechnet werden.
Beispiel:
Die Kosten einer Sackgasse, die von einer Straße abzweigt, müssen zusammen mit den Kosten der Straße, von der sie abzweigt, veranlagt werden. Ausnahme: Ist die Sackgasse länger als 100 Meter, muss sie regelmäßig als selbstständige Erschließungsanlage abgerechnet werden (BVerwG, Urteil v. 23.6.1995, 8 C 30.93, juris; BayVGH, Urteil v. 30.11.2016, 6 ZB 15.1835, juris).
Öffentliche Straßen
Beitragsfähig sind nur öffentliche Straßen, Wege und Plätze. Das sind solche Anlagen, die für den Gemeingebrauch gewidmet sind. Ohne Widmung kann keine Beitragspflicht entstehen. Wie die Widmung zu erfolgen hat, ergibt sich aus dem Landesstraßengesetz. Wird ein Beitragsbescheid erlassen, obwohl die Widmung noch nicht erfolgt ist, kann dieser Mangel zwar nachträglich geheilt werden, die Beitragspflicht entsteht in so einem Fall erst nach der Widmung. Für alle privaten Straßen kann kein Erschließungsbeitrag verlangt werden, weil diese nicht für die Öffentlichkeit gewidmet werden.
Es muss eine Anbaustraße sein
Zum Anbau bestimmt ist eine Straße dann, wenn sie die anliegenden Grundstücke verkehrsmäßig so erschließt, dass diese bebaubar und die Grundstücke für Kraftfahrzeuge erreichbar sind. Dabei genügt es, dass die Fahrzeuge an die Grenze der anliegenden Grundstücke heranfahren können und das Grundstück von da ab betreten werden kann.
Straßen im Außenbereich sind nicht zum Anbau bestimmt, weil im Außenbereich gem. § 35 BauGB grundsätzlich nicht gebaut werden darf.
Nicht zu den Anbaustraßen gehören solche Verkehrsanlagen, die ein Heranfahrenkönnen an die Grundstücksgrenze nicht ermöglichen, z.B. Fußgängerwege. Anbaustraßen sind auch solche Straßen, die zusätzlich dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen.
6.3 Wohnwege
Nicht befahrbare Wohnwege und Fußwege sind eigenständige Verkehrsanlagen und somit nicht Bestandteil der oben genannten Anbaustraßen. Dass solche Wege nicht befahrbar sind, kann entweder daran liegen, dass sie zu schmal sind (tatsächliche Unbefahrbarkeit) oder von der Widmung her kein Fahrzeugverkehr zugelassen ist (rechtliche Unbefahrbarkeit). Vor allem in verkehrsberuhigten Baugebieten aus neuerer Zeit findet man derartige Wohnwege. Durch ihre Anbindung an die Haupterschließungsstraßen werden die an den Wohnwegen liegenden Grundstücke baulich nutzbar. Einschränkend ist zu beachten, dass nur Wohnwege oder Fußwege innerhalb eines Baugebiets unter diese Bestimmung fallen. Damit kann ein Fußweg entlang des Baugebiet, der in die freie Natur führt, nicht abgerechnet werden, selbst wenn er im Bebauungsplan ausgewiesen sein sollte.
6.4 Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete
Als Sammelstraßen gelten solche öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind. Sie müssen den Verkehr mehrerer selbstständiger Anbaustraßen zusammenführen. Nur wenn die Erschließung eines Baugebiets gezwungenermaßen und ausschließlich über eine Sammelstraße erfolgt, kann diese abgerechnet werden. Diese durch die Rechtsprechung geforderte Voraussetzung hat dazu geführt, dass es praktisch kaum mehr möglich ist, für eine Sammelstraße Erschließungsbeiträge zu erheben.
6.5 Parkflächen
Parkplätze für Kraftfahrzeuge, die z. B. als Parkstreifen längsseits der Fahrbahn gebaut werden, sind rechtlich Bestandteil der Fahrbahn und werden mit den Straßenkosten abgerechnet. Daneben gibt es selbstständige Parkflächen in Form von größeren Parkplätzen. Solche selbstständigen Parkflächen sind zwar im Baugesetzbuch als beitragsfähig erwähnt, trotzdem können sie normalerweise nicht abgerechnet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich festgestellt, dass bei selbstständigen Parkflächen nicht erkennbar nachvollzogen werden kann, welche Grundstücke davon erschlossen werden.
Sofern an einer endgültig hergestellten Erschließungsstraße zu einem späteren Zeitpunkt ein Parkstreifen gebaut wird, können dafür keine Erschließungsbeiträge mehr verlangt werden, weil Veränderungen an fertigen Erschließungsanlagen zu keiner neuen Beitragspflicht nach dem Baugesetzbuch führen.
6.6 Grünanlagen
Grünstreifen oder Pflanzflächen neben der Straße oder zwischen den Richtungsfahrbahnen gelten als unselbstständige Grünanlagen. Sie sind als Bestandteil der Verkehrsanlagen beitragsfähig. Liegen die begrünten Flächen außerhalb von Verkehrsanlagen, spricht man von selbstständigen Grünanlagen. Grünanlagen müssen, damit sie abrechenbar sind, innerhalb der Baugebiete liegen und zu deren Erschließung notwendig sein. Bei größeren Grünanlagen, in die ein Spielplatz integriert ist, sind auch die Spielplatzkosten in den Erschließungsaufwand einzurechnen. Umgekehrt verhält es sich hingegen, wenn es sich um einen eigenständigen Spielplatz handelt, der begrünt ist. Weil dabei die Spielplatzfunktion im Vordergrund steht und Spielplätze keine beitragsfähigen Erschließungsanlagen sind, entfällt eine Kostenumlage.
6.7 Immissionsschutzanlagen
Soll ein neues Baugebiet im Einwirkungsbereich einer bereits vorhandenen Lärmquelle erschlossen werden, ist dies oft nur möglich, wenn Lärmschutzwälle oder -wände gebaut werden. Die Kosten der Lärmschutzanlagen sind auf die Grundstücke im neuen, zu schützenden, Baugebiet umzulegen. Wird ein bisher störungsfreies Baugebiet durch eine neue, an das Baugebiet heranrückende Lärmquelle, z. B. eine Bundesstraße, betroffen, liegt der Anlass für den Bau der Lärmschutzanlagen in der neuen Straße begründet. Dies ist kein Fall des Erschließungsbeitragsrechts, weil Ursache von Lärmschutzmaßnahmen nicht das Baugebiet, sondern die zusätzliche Straße ist.
7. Voraussetzungen für die Beitragsfähigkeit
Die oben erwähnten Erschließungsanlagen sind nur dann beitragsfähig, wenn sie von der Gemeinde im Rahmen ihrer gesetzlichen Erschließungslast nach § 123 Abs. 1 BauGB hergestellt werden. Weiterhin muss die Erschließungsanlage einem bestimmten Abrechnungsgebiet zugeordnet werden können. Dieses muss hinsichtlich des Kreises der erschlossenen und beitragspflichtigen Grundstücke genau und überzeugend abgrenzbar sein. Bei Anbaustraßen oder Wohnwegen ergeben sich keine diesbezüglichen Abgrenzungsprobleme. Erschlossen sind die angrenzenden Grundstücke. Problematischer ist es jedoch bei den anderen Erschließungsanlagen. Weil im Baugesetzbuch eine genaue Regelung dazu fehlt, mussten die Gerichte entsprechende Kriterien festlegen. Für eine selbstständige Grünanlage hat das Bundesverwaltungsgericht festgelegt, dass sie nicht weiter als ca. 200 Meter vom erschlossenen Grundstück entfernt sein darf. Sonst kann von einem Erschlossensein im Sinne von Benützen können nicht mehr die Rede sein. Selbstständige Parkflächen können i. d. R. nicht abgerechnet werden, weil nicht exakt feststellbar ist, welche Grundstücke erschlossen werden. Bei einer Sammelstraße wird darauf abgestellt, ob sie die einzige Verbindung zum übrigen Verkehrsnetz ist. Kann ein Grundstückseigentümer über mehrere Straßen zu seinem Grundstück gelangen, ist die Sammelstraße nicht abrechenbar. Durch eine Lärmschutzanlagen werden nur solche Grundstücke erschlossen, bei denen eine spürbare Lärmpegelminderung von mindestens 3 dB(A) eintritt.
Schließlich ist noch von Bedeutung, ob die einzelne Erschließungsanlage erforderlich ist, um die Bauflächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Anlagen, die zur Erschließung nicht notwendig sind, gehören nicht zum beitragsfähigen Aufwand, sondern sind dem beitragsfreien Gemeinvorteil zuzurechnen. Als Faustregel gilt: Erforderlich ist eine Anlage dann, wenn dafür ein Bedürfnis für das ganze zu erschließende Gebiet besteht.
Lesen Sie zum Erschließungsbeitrag auch die weiteren Kapitel:
Welche Kosten gehören zum Erschließungsaufwand und welche Grundstücke sind erschlossen und beitragspflichtig? Hier geht’s weiter...
Sonderformen der Beitragserhebung sind Vorausleistungen und die Beitragsablösung. Im privaten Kaufvertrag ist zu vereinbaren, wer die Erschließungsbeiträge zahlt. Für die neuen Bundesländer gelten Sonderregelungen. Hier geht’s weiter...
Über einen Erschließungsvertrag werden Erschließungsanlagen auf privater Basis hergestellt und abgerechnet. Hier geht’s weiter...
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Umfangreiche Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht: Hier geht’s weiter...
Erschließungsbeiträge nicht als haushaltsnahe Handwerkerleistungen steuerbegünstigt
Die Erschließung einer öffentlichen Straße steht nicht im räumlich-funktionalen Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen, der auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zum Erschließungsbeitrag herangezogen wird. Erschließungsbeiträge können deshalb nicht nach § 35a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 EStG bei der Einkommensteuer berücksichtigt und mit einem Lohnanteil abgezogen werden (BFH, Urteil vom 28.4.2020 – VI R 50/17). Durch Allgemeinverfügung des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 28.2.2022, FM3-S 0625-1/6, wurden alle bei den Finanzämtern anhängigen Widersprüche in dieser Sache zurückgewiesen. Dagegen können die betroffenen Steuerpflichtigen innerhalb eines Jahres Klage beim Finanzgericht erheben.
© IKV Erwin Ruff, 25.3.2022